Bitte sagen Sie jetzt nichts
jetzt noch nicht so lustig.
Loriot Komik entsteht immer nur aus dem Ernst. Wenn man einen Film konstruieren würde, in dem Herren ernsthaft über Bargeld reden und was zu tun sei, um weiter Milliardär zu sein, und schließlich als Rumpelstilzchen enden, könnte daraus ein Film mit bescheidener Komik entstehen.
Kammertöns/Lebert Im Jahre 2006 verkündeten Sie in einer Fernsehsendung Ihren Abschied. Als Grund gaben Sie an, das Fernsehen sei für Ihren Humor, Ihre Art von Komik zu schnell geworden.
Loriot Das war sicher auch ein Grund. Es ist merkwürdig, dass alle Zeiten ein unterschiedliches Gefühl für Tempo entwickeln. Ich habe kürzlich alte deutsche Filme aus den dreißiger Jahren gesehen, zum Beispiel Hans Moser. Die sind teilweise auch schon sehr hurtig, schnell und gut gemacht. Am besten veranschaulicht es heute die Werbung im Fernsehen. Sie ist in einem Tempo gehalten, dass man im Grunde kaum mehr weiß, für was oder gegen was dort geworben wird. Das ist sehr merkwürdig. Und diese Schnelligkeit hat sich auf das Programm übertragen, auf Trailer, die Filme von morgen oder übermorgen ankündigen. Das Tempo ist so hoch, dass die Szenen kaum noch zu verstehen sind. Aber das schadet offenbar nichts. Tempo und Rhythmus stehen im Vordergrund.
Kammertöns/Lebert Verspürten Sie bei Ihren Abschiedsworten womöglich auch das Gefühl, dass man gehen soll, wenn es am schönsten ist?
Loriot Ja.
Kammertöns/Lebert Vor einigen Wochen trat ein Comedian namens Mario Barth vor fast 100 000 Leuten auf ...
Loriot ... ja, hier im Berliner Olympiastadion.
Kammertöns/Lebert Finden Sie Mario Barth komisch?
Loriot Er bringt es fertig, 100 000 Menschen in Jubelstürme zu versetzen. Allein auf der Bühne. Was will man mehr? Sein immenser Erfolg kommt aus der Stimmung. Er beruht auf dem nicht abreißenden Kontakt zum Publikum und der Waghalsigkeit, mühsam konstruierte Pointen durch Tempo und Rhythmus zu ersetzen. Die Methode hat sich geändert.
Kammertöns/Lebert Sie haben sich mehr Mühe geben müssen. Hat es Sie bisweilen gestört, dass Ihre Komik so leicht daherkam? Dass der ein oder andere Zuschauer den Eindruck hatte: Das kann ich auch, das ist doch schnell gemacht?
Loriot Das stört mich nicht. Es ist eher interessant. Mir schicken Menschen Briefe, in denen sie Erlebnisse schildern, die aus meiner Feder stammen könnten. Leider ist darauf kein Verlass. Es ist wohl doch schwerer, als man denkt.
Kammertöns/Lebert Wer mit Freunden oder Bekannten über Sie spricht, der hört oft, Loriot habe ihnen im Alltag ein Leben lang Trost gespendet.
Loriot Das freut mich.
Kammertöns/Lebert Was hat Sie in Ihrem Leben getröstet?
Loriot Schwer zu sagen. Die Bibel? Ja, sicher. Ich bin ein ganz normal erzogener norddeutscher Christ. Das spielt in meinem Leben schon eine Rolle. Ich versuche, nicht gereizt zu reagieren auf Dinge, die mir nicht gefallen.
Kammertöns/Lebert Ihre preußische Herkunft legt die Vermutung nahe, dass Ihnen das Motto gefällt: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Loriot Ja, aber es kann natürlich auch andersrum funktionieren.
Kammertöns/Lebert Belohnen Sie sich?
Loriot Ich erinnere mich an meine Zeit in Hamburg. Als ich nach sechs Semestern die Kunstakademie verließ, war ich immerhin ein ausgebildeter Maler, Zeichner und Grafiker. Da schlug mir jemand vor: Zeichnen Sie uns doch mal einen Witz! In drei Wochen fertigte ich zwei Zeichnungen, dafür kriegte ich 25 Mark. Fabelhaft. Das war 1949. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich kaufte mir einen Schlips, einen blauen Schlips zur Belohnung.
Kammertöns/Lebert Einen Schlips. Sie hatten offenbar für Ihr Leben damals keine finanziellen Pläne, keinen großen Entwurf?
Loriot Nein. Bis heute nicht. Ich bin ein Produkt merkwürdiger Zufälle und habe beruflich nie irgendwelche Pläne gehabt.
Kammertöns/Lebert In Hamburg wurde Alfred Mahlau Ihr Lehrer ...
Loriot ... Horst Janssen war mein Mitstudent.
Kammertöns/Lebert Und?
Loriot Der war hochbegabt und ziemlich verrückt. Uns verband eine Art Hassliebe.
Kammertöns/Lebert Eine Hassliebe?
Loriot Janssen war jahrelang Mahlaus Lieblingsschüler. Als Mahlau mir einmal wohl versehentlich eine Ansichtskarte aus dem Urlaub schickte, sah er in mir einen Feind, weil er keine bekommen hatte.
Kammertöns/Lebert An der Kunstakademie wurden Sie ohne weiteres angenommen?
Loriot Alfred Mahlau gab mir auf, einen kleinen Stapel von Zeichnungen zu fertigen und sie dann einzuschicken. Also ging ich nach Hause in
Weitere Kostenlose Bücher