Bittersuess
Gesicht sehen und es tut mir leid, dass sie solche Ängste wegen mir hat.
Zum Abendessen gehe ich hinunter, ich spüre deutlich die Blicke meiner Eltern auf mir. Ich zwinge mich regelrecht etwas zu essen, doch das Meiste bleibt auf meinem Teller zurück.
„Stella, mein Schatz“, meine Mutter steht auf und kommt zu mir an meine Seite. Sie hockt sich vor mich hin und nimmt meine Hände in ihre.
„Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn du eine Therapie anfängst. Wir sehen doch, dass es dir nicht gut geht, und es wäre bestimmt das Beste, mit Jemandem zu reden“, sagt sie sanft.
„Mama, ich komme schon klar, wirklich. Ich muss mich nur erst wieder zurechtfinden“, versichere ich ihr.
„Aber vielleicht schaffst du es nicht alleine? Du könntest ja auch in eine Klinik gehen“, sie redet unbeirrt weiter.
„W… was?“, stammele ich entsetzt. Das kann sie doch jetzt nicht ernst meinen, oder?
„ Du willst Stella einsperren lassen ?“, Jonas springt von seinem Stuhl auf – und das so heftig, dass dieser nach hinten umkippt. „ Soll sie wieder EINGEKERKERT werden ?“, sein Gesicht spiegelt seine Fassungslosigkeit wieder und auch ich habe Probleme, meine Angst zu verbergen.
„Wir wollen nur das Beste für Stella, nicht wahr, Martin?“, meine Mutter sucht jetzt Hilfe bei meinem Vater.
„Marianne, ich denke, wir sollten Stella Zeit lassen“, nickt er mir zu, aber ich sehe auch in seinem Blick die tiefe Sorge.
„Na, wenn das mal keine gute Idee ist“, schnaubt Jonas wütend dazwischen. Ich hätte ihn küssen können. Er ist mir wirklich eine große Stütze und es tut mir aufrichtig leid, dass ich ihm nicht sagen kann, was wirklich los ist.
Aber die Situation hier hat mich gewarnt. Ich muss lernen, wieder ‚normal’ zu werden – was immer das auch zu bedeuten hat. Ich muss mich zusammenreißen, darf mich nicht mehr so gehen lassen. Sonst lande ich am Ende wirklich noch in einer Psychiatrie.
Obwohl das Essen mir Übelkeit verursacht, nehme ich sicherheitshalber ein bisschen mehr von dem Nachtisch, doch mir wird schlecht davon. Ich bemühe mich krampfhaft, mir das nicht anmerken zu lassen.
Meine Mutter atmet etwas auf, als sie sieht , dass ich noch esse. Ich verabschiede mich wieder in mein Zimmer und sacke erschöpft auf das Bett. Mein Magen beginnt zu rebellieren, doch ich muss mich nicht übergeben, Gott sei Dank.
Lustlos zappe ich im Fernsehen herum, als es an der Türe klopft. Ich vermute meine Mutter oder Jonas, aber Markus steckt seinen Kopf durch den Türspalt.
„Stören wir?“, fragt er mich lächelnd.
„Nein“, ich stehe auf und umarme ihn. „Überhaupt nicht.“
In seinem Schlepptau ist natürlich Jenny und man sieht sofort an den Blicken, die sie sich zuwerfen, wie verliebt sie sind.
Ich freue mich natürlich für die beiden, aber trotzdem sticht es ebenso in mein Herz. Ich wünschte, ich könnte das auch haben. Aber das wird wohl niemals möglich sein.
Ich schlucke heftig gegen einen Kloß in meinem Hals an und hoffe, dass sie es nicht bemerken.
‚Reiß dich zusammen, Stella!’ , befehle ich mir. Wie oft musste ich schon Interesse und Begeisterung heucheln, wenn ich mit meiner Mutter auf Wohltätigkeitsveranstaltungen war? Das muss ich jetzt wieder abrufen können, auch wenn es vor meinen Freunden viel schwerer sein wird, meine Gefühle zu verstecken.
„Wie geht’s dir, Süße?“, fragt Markus mich dann.
„Ich bin okay“, versichere ich ihm.
„Es tut mir so leid“, man kann ihm ansehen, dass ihm das alles schwer zu schaffen macht.
„Das muss es nicht, ich hab es Jenny gestern schon gesagt. Ihr könnt absolut nichts dafür“, ich drücke zur Bekräftigung meiner Worte seine Hand, aber es fällt mir zunehmend schwerer, meinen Freunden Trost zu spenden. Doch ich weiß auch, wie wichtig das für sie ist. Und sie sollen auf gar keinen Fall mehr unter der Situation leiden.
„Wieso hab ich bloß mit der Blondine gesprochen?“, Markus scheint meine Worte gar nicht richtig mitbekommen zu haben.
„Hör bitt e auf, es hat doch keinen Zweck. Die hätten mich so oder so gekriegt“, lächele ich ihm zu, es kostet mich wirklich alle Kraft, die ich noch habe. Ich würde ihnen so gerne sagen, was los ist, ich möchte, dass SIE MICH trösten – und nun ist es umgekehrt. Was für eine bescheuerte Lage ist das eigentlich in der ich bin?
„Hat man denn schon eine Spur?“
„Ich weiß es nicht“, antworte ich ehrlich.
„Hoffentlich kriegt man die Schweine
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