Bittersuess
schmiert sich hastig ein Brötchen.
„Wenn Stella gerne möchte. Vielleicht tut die frische Luft ihr gut“, mein Vater tätschelt mir die Hand und zwinkert mir zu.
„Aber du fährst nicht allein“, meine Mutter hat sich wieder gefangen. „Solange diese Mistkerle noch auf freien Fuß sind, gehst du nirgends ohne Begleitung hin.“
„Mama – die haben Stella laufen lassen. Wieso sollten sie sie jetzt wieder einfangen wollen? Und außerdem wird der Eine per Haftbefehl gesucht. Der hat wohl gerade andere Sorgen“, mischt Jonas sich ein.
„Trotzdem!“, zickt meine Mutter ihn an.
„Mama, ich kann wirklich alleine fahren“, versuche ich es erneut.
„Nein!“
„Okay, dann fahre ich mit“, Jonas verdreht die Augen.
„Ist denn heute keine Uni?“, ich schaue ihn staunend an.
„Ich muss erst heute Nachmittag hin“, erklärt er mir.
Kurze Zeit später sitzen wir in seinem Auto. Mir ist nicht nach einem Gespräch zumute und Jonas ist auch Gott sei Dank nicht der Typ, der einen zu irgendwas nötigt.
„Du musst aber nicht mit“, sage ich zu ihm, als wir angekommen sind.
„Hatte ich auch nicht vor“, grinst er. „Ruf mich an, okay? Ich bin bei Fred.“
„Ich hab mein Handy nicht mehr.“
Jonas kritzelt mir Freds Nummer auf einen Zettel. „Und vergiss nicht: alle denken, du seiest verreist gewesen. Es weiß keiner was.“
„Danke, dass du mich noch einmal darauf hingewiesen hast“, ich atme erleichtert auf. Das hätte ich wirklich fast vergessen.
Ich sehe, dass Nadesha auf der Weide steht und stelle mich ans Gatter. Ich pfeife kurz und schon kommt sie zu mir galoppiert.
„Na, meine Schöne?“, zärtlich streichele ich über ihre warmes weiches Maul.
„Stella – du bist ja wieder da!“, ruft es hinter mir.
Maria, die Stallwirtin , begrüßt mich herzlich. Sie fragt mich, wo ich war, ich antworte ausweichend und murmele etwas von einem Kurzurlaub.
„Sag mal, wann werden die Pferde denn geimpft?“, frage ich scheinbar beiläufig.
„Nächstes Jahr erst wieder“, erklärt sie mir. „Wieso?“
„Ach nichts, nur interessehalber“, antworte ich ausweichend.
„Die Impfbücher liegen im Büro, du kannst selbst nachschauen“, antwortet sie freundlich.
Ich bleibe noch eine Weile bei Nadesha stehen.
„Hat er dich auch schon mal berührt?“, frage ich meine Stute leise. „Es ist schön, wenn er das tut, oder?“
‚Geht’s noch? Reiß dich mal zusammen!’
Ich zwinge mich, mich nicht so in meinem Leid zu suhlen, dann schlage ich den Weg zum Büro ein.
Interessiert blättere ich in den Unterlagen der Pferde. Sie alle werden meist von der gleichen Tierarztpraxis betreut. Ich schreibe mir die Adresse auf und stecke sie ein.
Als ich wieder zuhause bin, googele ich nach der Anschrift. Die Praxis ist wirklich groß und hat eine eigene Homepage.
Ich sehe seinen Namen. ‚Dr. Nicolas Molina .’
Ob ich ihn anrufen soll? Wäre das gut? Oder würde er das gar nicht wollen?
Mit zitternden Händen greife ich zum Telefon. Ich möchte so gerne seine Stimme hören – wenn er überhaupt noch da ist.
Ich habe die ersten Nummern gewählt, dann lege ich auf. Vielleicht ist es ein Risiko mit ihm in Kontakt zu treten. Vielleicht wird ja die Leitung abgehört? Man weiß ja bestimmt, dass er der Bruder des Gesuchten ist und vermutet eventuell, dass Joaquin zu ihm Kontakt aufnimmt…
Das Risiko ist zu groß. Ich sollte das nicht tun. Auch wenn es mir richtiggehend körperliche Schmerzen bereitet. Am meisten helfe ich Nicolas wohl, wenn ich mich ganz still verhalte.
Ich weiß nicht, wie ich den Rest des Tages rumkriege, ich versuche mich mit meinen Studienunterlagen zu beschäftigen, die Jonas aus meiner Wohnung geholt hat, aber irgendwie weiß ich gar nicht, was da eigentlich steht.
Ich muss jeden Satz mindeste ns dreimal lesen, damit etwas davon in meinem Kopf hängen bleibt, und meist hab ich alles nach einem Absatz schon wieder vergessen.
Ich ertappe mich dabei, wie ich oft nur auf dem Bett liege und an die Decke starre, so wie ich es in der kleinen Hütte gemacht habe. Denken tu ich dabei nichts, es ist ganz komisch, aber auch eine gute Methode um die Zeit totzuschlagen.
Wenn ich dann wieder mal klar bin, habe ich nur einen Gedanken im Kopf: Nicolas. Was er wohl macht, wie es ihm geht. Ob er vielleicht doch mit den anderen auf der Flucht ist – aber das traue ich ihm nicht zu.
Manchmal spricht meine Mutter mich an und ich zucke zusammen. Ich kann die Besorgnis in ihrem
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