Bittersueße Wahrheit
Für ihn gab es kein zurück. Das Wort Safewort existierte noch nicht einmal in seinem Wortschatz. Seine Sklavinnen hatten alle Rechte verloren, wenn sie sich ihm unterwarfen. Deshalb war sein Verschleiß an Frauen auch enorm groß. Simon war zwar noch nie bei solch einem Tribunal dabei gewesen, hatte aber schon davon gehört. Und zwar nichts Gutes. Es hatte ihn sogar derart abgestoßen, dass er niemals an solch einer Versammlung teilnehmen wollte, selbst wenn man ihn auf Knien darum gebeten hätte. Das hatte er sich schon vor Monaten geschworen, als er das erste Mal davon gehört hatte. Langsam dämmerte es ihm. Nun verstand er – wenn auch erst im Nachhinein und viel zu spät – was ihm Stark schon die ganze Zeit über am Telefon sagen wollte beziehungsweise auch gesagt hatte. Bedauerlicherweise hatte er nur nicht gleich verstanden, worüber dieser verdammte Sadist sprach. Allein bei dem Gedanken, Katelyn dort zu wissen, wurde ihm schlecht. Es brachte ihn buchstäblich um den Verstand. Ausgenommen alle Sklavinnen, die dem Tribunal vorgeführt wurden, wurden von den Ratsmitgliedern und deren Anhängern zu aller erst zugeritten, was nichts anderes bedeutete, als dass man Katelyn von all den Männern, die daran teilnahmen, gehörig durchficken ließ. Aber nicht nur das: die Peitsche hätte ihr am Schluss noch den Rest geben sollen. Solch eine Behandlung hat kaum eine Sklavin ungeschoren überstanden. Was aus deren Schicksalen geworden war, konnte man nur erahnen. Ungehorsame Sklavinnen waren demnach Freiwild und hatten alle Rechte verloren. Diejenigen unter ihnen, die nach dieser Behandlung an irgendwelche noch größere Sadisten verkauft wurden oder in Swingerclubs oder gar in Bordellen ihren Dienst ableisten mussten, hatten noch Glück gehabt. Denn viele waren darunter, die nie wieder irgendwo aufgetaucht waren. Und seine Katelyn, seine Frau (!), war nun bei James Stark, diesem perversen Schwein. Er richtete den Blick auf Rafael. Seine dunklen Augen hatten all ihren Glanz verloren. Hass und Verzweiflung vermischten sich ineinander und strahlten Unberechenbarkeit und Wahnsinn aus. „Ich hol sie da raus!“ Seine Stimme war nicht wiederzuerkennen. Zornig. Entschlossen. Todbringend.
Simon wandte sich von allen ab, doch Rafael hielt ihn am Arm zurück. „Nein, Simon! Bitte höre auf mich. Wenigstens jetzt! Ich gehe da alleine rein und hole sie dir zurück. Und zwar ohne Blutvergießen. Wenn du mit deinen Leuten reingehst, dann gibt es viele Tote. Und du willst doch bestimmt nicht in diese Sache hineingezogen werden… das würde nämlich viele Fragen aufwerfen, die du sicherlich nicht beantworten möchtest.“
„Aber ich will, dass dieser miese Arsch seine gerechte Strafe bekommt, vor allem für das, was er Katelyn möglicherweise angetan hat. Ich möchte gar nicht wissen, was sie gerade in diesem Moment durchmacht. Du kennst Stark. Und weißt auch, wozu er fähig ist.“ Simons Brust zog sich immer enger zusammen. Er war verzweifelt. Wütend. Aufgebracht. Genau in diesem Moment fühlte er sich wirklich so hilflos wie ein kleiner Junge.
„Keine Angst, Bruder. Die gerechte Strafe bekommt er noch früh genug. Ich denke, es dauert nicht mehr lange, und er steht auf meiner Liste. Und dann ist es wenigstens legal. Vertrau mir!“ Rafael richtete den Blick auf Charlie. „Wer ist das?“
„Der Einzige, der weiß, wo sie jetzt ist.“, erwiderte Simon atemlos.
Rafael ging einen Schritt auf Charlie zu, packte ihn am Kragen und schleifte ihn mit sich mit. „Dann sind wir ja schon einen großen Schritt weiter.“
Simon setzte all seine Hoffnungen auf seinen Freund. Auch w enn er sich kaum zügeln konnte, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Nichts täte er in diesem Augenblick lieber, als die Waffe auf James Stark sowie seine ganze Meute zu richten, damit er ihm und seinem Gefolge endlich das Licht ein für alle mal ausblasen könnte. Aber er vertraute Rafael, glaubte fest daran, dass er ihm Katelyn unbeschadet zurückbringen würde. Doch er schwor bei Gott, dass er James Stark in Stücke reißen würde, sollte er sich oder irgendeiner seiner perversen Gefolgsleute an Katelyn vergriffen haben. Und wenn es das Letzte wäre, was er in seinem Leben noch täte. Krampfhaft versuchte er, diesen hässlichen Gedanken von sich abzuschütteln. Denn es war jetzt verdammt wichtig, einen kühlen Kopf zu behalten, um Katelyn aus dieser Hölle herauszuholen. Fehler durfte man sich ab sofort nicht mehr erlauben. Und
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