Bittersüßes 7. Jahr
»Nehmt es mir nicht übel, aber ihr benehmt euch wie die Kinder. Vielleicht fehlen euch die. Mit sechs Kindern im Stall hat man andere Sorgen als ihr! Du liebst doch Sabine?«
»Sehr!«
»Und Sabine liebt dich?!«
»Das nehme ich, mit Vorbehalten, an.«
»So! Mit Vorbehalten!« Dr. Portz rieb sich die dicke, rote Nase. »Das hast du in sieben Jahren Ehe noch nicht feststellen können?«
»Das ist es ja, was mir Sorgen macht!«
Peter Sacher starrte auf die weiße, spitze Asche der Zigarre. Vorsichtig schnippte er sie ab. Sie zerfiel in dem großen Aschenbecher in drei Teile. Peter nickte.
»Stimmt.«
»Was stimmt?«
»Es sind drei Dinge, die bei uns zu Asche geworden sind: Idealismus, gegenseitiges Verstehen, Entgegenkommen. Warum das alles so geworden ist? Lieber Ernst, wenn ich das erklären könnte, säße ich jetzt nicht hier.« Er hob hilflos die Hand. »Man sollte es nicht für möglich halten. Ich habe eine schöne Frau.«
»Die hast du wirklich.«
»Und ich liebe sie. Das ist keine billige Redensart. Aber irgend etwas ist da zwischen uns, das wie eine Wand ist, wie eine gläserne Wand, durch die wir uns zwar sehen und hören, aber die verhindert, daß wir uns die Hände reichen. Wir haben uns einfach nichts mehr zu sagen.«
Dr. Portz schob ein paar Aktenstücke zur Seite, um Platz für seine breiten Ellenbogen zu bekommen. Auf ihnen lehnte er sich weit vor und starrte Peter Sacher ins Gesicht.
»Willst du einen Rat hören? Den honorarlosen Rat eines erfahrenen Scheidungsanwaltes?«
»Honorarlos ist bei dir immer kritisch.«
»Euch beiden fehlt nur eins: eine Wiege mit einem schreienden Bündel und zweimal täglich Windelwaschen.«
»Danke.« Peter schlug resignierend die Beine übereinander. »Erstens hast du das schon einmal gesagt.«
»Steter Tropfen, mein Lieber!«
»Und zweitens stehen solche Ratschläge in jeder Wochenzeitung unter ›Sprich dich aus – Tante Emma antwortet.‹«
»Hör auf Tante Emma!« meinte Dr. Portz sarkastisch.
»Zu einem schreienden Bündel in der Wiege gehören immer zwei Menschen. Soviel solltest du von Biologie wissen.«
»Zahlenmäßig könntet ihr diese Bedingung erfüllen.«
»Aber auch nur zahlenmäßig!«
Dr. Portz schüttelte wieder den Kopf. Wie kompliziert, dachte er. Da sind nun zwei Menschen, nett, modern, liebenswert. Die Frau, man muß schon poetisch bei Vergleichen werden. Der Mann, ein Kerl, der etwas im Leben erreichte. Durch Können, durch Fleiß. Ein bißchen verrückt ist er ja, aber welcher künstlerische Mensch hat nicht seinen verzeihlichen Spleen? Zwei Menschen also, die sich wie nichts auf der Welt ergänzen müßten, die ein ideales Paar abgeben müßten. Und da kommt einer von ihnen nach sieben Jahren Ehe daher und sagt zerknirscht: Alles war nur eine schillernde, mühsam am Leuchten erhaltene Seifenblase. Nun ist sie zerplatzt, und von der ganzen Schönheit ist nichts zurückgeblieben.
»Du glaubst, daß diese sechs Wochen getrennte Ferien ein Heilmittel seien?« fragte er langsam. Man sah und hörte ihm an, daß er dies sehr bezweifelte.
»Sabine meint es. Sie hat diesen ganzen Quatsch in der New York Times gelesen. Von irgendeinem Psychologen, der etwas Propaganda für sich machte. Und sie glaubt daran wie an ein Wunderheilmittel.«
»Ferien vom Ich sind doch eine alte Sache.«
»Aber Ferien von der Ehe? Das dürfte nicht gebräuchlich sein. Nicht in unseren Breitengraden. Über diesen Ferien liegt wie eine unmoralische Wolke der Reiz des Nichtwissens, des Unbekannten, des Rätsels, der verborgenen Abenteuer, kurz: Man fühlt bei dem Gedanken an diese Ferien den Stachel der Eifersucht. Stell dir vor, diese Gedanken: Sie liegt irgendwo am Strand und flirtet mit einem anderen. Er ist hübsch, der Kerl, so ein Frauentyp mit gelacktem oder gewelltem Haar und einem Zahnpastagebiß. Und sie vergißt, daß sie Sacher heißt, sie findet das Leben schön, viel schöner als in Düsseldorf am Rhein, sie findet, daß …« Peter sprang auf. Es war ein Satz, als spränge er den Unbekannten an. »Teufel noch mal, Ernst, verstehst du das?! Man muß wissend beide Augen zudrücken, man darf nicht fragen, man soll nichts wissen, man soll alles wehrlos auf sich zukommen lassen. Ich halte das einfach nicht aus!«
Dr. Portz nickte ernst.
»Klarer Fall von Liebe!«
»Quatsch! Es geht um die Mannesehre!« wich Peter aus. Er schämte sich, die Wahrheit einzugestehen.
»Wenn Sabine auch so denkt wie du«, sagte Dr. Portz salomonisch, »ist es
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