Bittersweet Moon
glänzendes Haar war streng
nach hinten gekämmt und im Nacken in einen Pferdeschwanz gebunden. Robins
freies, offenes Gesicht wirkte dadurch noch schöner, aber auf unerklärliche
Weise auch verletzlicher und empfindlicher. Als ob er sein langes Haar, das ihm
sonst meistens das halbe Gesicht und die Augen bedeckte, wie eine Schutzmauer
benutzen würde, um seine Sensibilität zu verstecken. Die Mähne verlieh ihm ein
wildes, leicht gefährliches Image, das zu seiner Karriere perfekt passte, doch
seine große Emotionalität und seine weichen, zärtlichen Wesenszüge, die ich
hinter seiner sorgsam aufgebauten Fassade so schnell entdeckte, blieben auf
diese Weise für die Mehrheit der Menschen verborgen und unvermutet.
Bei
seinem Anblick durchdrang ich wieder den Schein-Robin und sah in ihm nur meinen
verflossenen Liebhaber, den ich immer noch liebte und nicht loslassen konnte
und der mich nur mit seiner bloßen Anwesenheit augenblicklich zu einem
Nervenbündel machte.
Robin
beantwortete gerade eine Frage und ich schlich mich die Wand entlang in die
äußerste Ecke, wo ich in der Dunkelheit einen leeren Stuhl erblickte.
Vergeblich
versuchte ich, das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. Meine Augen klebten an
Robin und seine Stimme streichelte meine Ohren, ohne dass ich wirklich zugehört
hatte, was er eigentlich erzählte. Durch die neue Art, wie er sein langes Haar
trug, sah er wirklich unglaublich anziehend aus. Der mehrwöchige Aufenthalt in
Kalifornien hatte eine fantastische Bräune auf seinem Gesicht hinterlassen und
auch sein Haar wirkte aufgehellt von der Sonne. Obwohl ich ganz hinten saß,
vernahm ich trotzdem das Blitzen seiner blauen Augen, die noch klarer und
intensiver leuchteten als sonst.
Ich
versank immer tiefer in meinem gepolsterten Stuhl und meine Entschlossenheit
verließ mich allmählich. Wie soll ich ihm nur in die Augen schauen und dabei
meine Ruhe bewahren? Habe ich tatsächlich geglaubt, seine Erscheinung wird mich
nicht mehr verunsichern können? Warum bin ich bloß hierher gekommen?
Diese
Fragen spielten verrückt in meinem Kopf und ich zwang mich, sitzen zu bleiben
und nicht vorzeitig abzuhauen. Versteckt in dem dämmrigen Licht fühlte ich mich
immer unsicherer und kleiner, den Fragen der Reporter hörte ich nur halbherzig
zu, genauso wenig wie den Antworten von Tony und Jason, die sich ab und zu auch
zu Wort meldeten. Mich interessierte nur Robins Stimme und sein charmantes
Lächeln, mit dem er besonders weibliche Fragende reichlich beschenkte und dabei
jedes mal eine Flut von Blitzlichtern auslöste.
Der
Sprecher der Plattenfirma, der die Pressekonferenz moderierte, kündigte bald
die allerletzte Frage an. Eine Reporterin Ende dreißig kriegte ihre Chance und
wendete sich an Robin: "Robin, nach fast vier Jahren haben Sie endlich
mehrere Liebeslieder geschrieben. Wie kam es dazu, dass wieder Balladen entstanden
sind?"
Robin
betrachtete sie eine Weile mit seinem Ladykiller-Blick und erwiderte knapp mit
ernster Stimme: "Meine Muse hat mich geküsst." Alle im Raum lächelten
über diese schlagfertige Antwort, nur ich richtete mich aus meiner
zusammengesackten Haltung auf, aufgeregt und augenblicklich erwacht aus meinem
Gefühlschaos.
"Erzählen
Sie mehr darüber", forderte die Reporterin. Robin lehnte sich lässig auf
seinem Stuhl zurück und sprach immer noch ernst: "Wie jeder Künstler
brauche auch ich eine Muse. Manchmal schweigt sie, manchmal sind ihre Küsse nur
lauwarm, manchmal aber beschenkt sie ihren Musiker mit leidenschaftlicher
Umarmung. In diesem Winter war sie sehr großzügig zu mir und dafür bin ich ihr
sehr dankbar."
Die
Reporterin gab sich nicht zufrieden mit dieser Antwort und bevor der Moderator
sie stoppen konnte, hielt ihn Robin mit einer Handgeste auf und gestattete ihr
noch eine weitere Frage.
"Hat
ihre Muse auch ein Gesicht und einen Namen?", warf sie die Frage mit
leicht provokantem Tonfall in den Raum. Ich erschrak dabei, die Frau vermutete
offensichtlich, dass Robin sich durch eine Geliebte inspirieren ließ und in der
Erwartung seiner Antwort hing ich an Robins Lippen.
"Ja,
das hat sie", antwortete Robin mit einem kurzen frechen Lächeln und ließ
sich nicht aus der Ruhe bringen. "Wenn ich sie beschreiben sollte, dann
denke ich dabei an Artemis, die mädchenhafte, aber leidenschaftliche und
sinnliche Göttin, die in den Vollmondnächten durch die Wälder streift und
jeder, den sie mit ihrem Blick ins Herz trifft, verfällt für immer
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