Bittersweet Moon
Robin. Als ich halblaut aufseufzte,
merkte ich in dem Spiegel wieder den begehrlichen Blick des vollbärtigen
Taxifahrers. Wenn er nur wüsste, was für eine Nacht ich hinter mir hatte! Was
für ein Typ mich gevögelt hat! Er würde sich nicht mehr trauen, mich so
anzusehen... Kurz schämte ich mich um diese übermütigen Gedanken, ich war
schlicht wie betrunken. Betrunken von Robin, von seinen Berührungen, von seiner
Stimme, seinem Duft... Er verführte mich mit seinem Glanz, er überwältigte und
verzauberte mich, und ich lechzte nach mehr! In meinem gefährlich entfachten
Verlangen nach diesem für mich so besonderen Mann wurde ich unersättlich,
unvorsichtig, rücksichtslos… Die vorbeihuschenden Straßen waren am
Sonntagvormittag leer und noch immer schneebedeckt und das Auto fuhr weich und
lautlos, viel schneller, als ich erwartete.
Der
Himmel über der verschlafenen Stadt schimmerte hellblau und wolkenlos. Die
Sonne, die halbwach und versteckt hinter den Dächern lauerte, tastete mit ihren
ersten goldenen Strahlen vorsichtig die Schneedecke an den Bäumen ab, als ob
sie überprüfen wollte, ob die Äste diese schwere Last noch aushalten konnten.
Sie streute glitzernde Funken an die zugeschneiten Gehwege, die geduldig darauf
warteten, dass jemand sie endlich freischaufelte. Sie blendete die Ampel vor
uns und der Fahrer wusste nicht mehr, ob sie rot oder grün leuchtete. Wir
fuhren einfach weiter. An der Kreuzung stand außer uns niemand, nur die große
Weihnachtstanne in der Mitte schüttelte gerade ein wenig Schnee von ihren Ästen
ab und entlastete damit ihre prächtige, bunte Lichterkette, die im Wettkampf
mit der Sonne aber keine Chance hatte. Was für ein herrlicher Tag! Die Sonne
fand den Weg in unser Auto und kitzelte neckisch mein strahlendes Gesicht. Die
Welt war so in Ordnung, wie schon lange nicht mehr und ich schloss dankbar die
Augen, während wir uns dem Flughafen näherten.
Die
Reise
Schon
immer liebte ich Flughäfen. Sie riechen nach Abenteuer, nach Urlaub, nach wahr
gewordenen Träumen, nach Veränderung und Abwechslung. Sie erweckten in einem
das beflügelnde Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit. So viele verführerische
Möglichkeiten in einem einzigen Empfangssaal. Jeder Schalter verspricht dir
eine andere Geschichte, die in einem fernen Land, in einer fremden Stadt auf
dich warten könnte. Meistens kommt man hierher mit einem festen Ziel, aber mich
reizte immer die Vorstellung, mit gepacktem Koffer erst am Schalter eine
Entscheidung, wohin meine Abenteuerlust mich führen möge, zu treffen. Oft kam
ich einfach so zum Flughafen. Ich setzte mich ins Restaurant und beobachtete
die Menschen, die kamen und gingen, hastig ihren Kaffee tranken oder eine
Kleinigkeit aßen, auf die Uhr schauten, Zeitschriften lasen oder sich mit ihren
Begleitern unterhielten. Ich versuchte zu erraten, wohin sie verreisten, und
was sie an ihrem Reiseziel unternehmen wollten. Die Reisenden teilte ich in
mehrere Gruppen ein:
Familien,
die einen lang ersehnten Pauschalurlaub im Süden gebucht hatten,
Geschäftsleute, die etwas gelangweilt und routiniert zu ihren Seminaren und
Konferenzen flogen, Alleinreisende, die vielleicht ihre Partner in einer
anderen Stadt besuchten, Pärchen, die sich auf einen romantischen Liebesurlaub
freuten und junge Abenteurer, die durch die ganzen Kontinente reisten und ihren
Durst nach nicht alltäglichen Erlebnissen in fernen Ländern stillten. Ich
kriegte von der angenehmen Aufregung, die kurz vor dem Abflug alle Reisende um
sich versprühten, etwas ab. Ich freute mich mit allen Abholern, die auf ihre
Liebsten warteten, und immer wenn eine Maschine landete, in fröhlicher
Erwartung zu dem Ausgang eilten. Flughafen wurde für mich einfach das Synonym
für die Sehnsucht nach Abenteuer, eine Eintrittskarte für die Flucht aus dem
Alltag. An diesem Morgen wusste ich zwar, wohin ich fliege, aber es fühlte sich
wie ein unglaubliches Abenteuer an, genau so, wie ich es mir immer gewünscht
hatte. Diesmal spielte ich selbst die Hauptrolle in meinem kleinen Film, ich
war die heimliche Geliebte, die mit ihrem verheirateten Lover verreiste und
sich mit ihm in einem geheimen Liebesnest in Ruhe treffen wollte. Unsere
Affäre darf auf keinen Fall entdeckt werden, wir fliegen zwar zusammen, aber
wir werden so tun, als ob wir uns nicht kennen würden ... Diese Vorstellung
fand ich wahnsinnig aufregend und mein Herz schlug vor Spannung höher, als ich
aus dem Taxi
Weitere Kostenlose Bücher