Bizarre Beziehungen - V 1.0
den Säbel. Er könnte ihn ziehen, vielleicht Philo Goode als Geisel nehmen, ihn zwingen, sein Wissen zu enthüllen, ihn zwingen, ihm einen sicheren Ausweg aus dieser Falle zu zeigen.
Aber Goode hatte ihm einen Ausweg gezeigt. Wenigstens behauptete er das. Je länger Clive überlegte, desto mehr war er davon überzeugt, daß Goodes Vorschlag die einzig vernünftige Vorgehensweise war.
Er stand auf, ordnete Kleidung, Säbel und Mütze und trat an die offenstehende Falltür. »Wenn dies ein Trick ist, Goode, warne ich Sie, Sir. Ich habe Gefahren überstanden, von denen Sie nicht einmal träumen würden.«
»Da muß ich Ihnen leider widersprechen, Sir. Ich weiß mehr, als Ihnen vielleicht bewußt ist. Ich würde alles glauben, was Sie mir sagen. Allein aus diesem Grund sind Sie heute nacht hier, Sir, und allein aus diesem Grund eröffnete ich Ihnen die Möglichkeit, die Ihnen jetzt zu Füßen liegt.«
»Nichtsdestoweniger: Wenn diese Stiege nur einen weiteren Akt des Verrats von Ihrer Seite darstellt, Goode, wird Sie das teuer zu stehen kommen, das garantiere ich Ihnen!«
»Und ich werde mich glücklich schätzen zu bezahlen, Major Folliot. Nun, wenn Sie keine Notwendigkeit mehr sehen, länger zu bleiben ...«
Clive setzte den polierten braunen Stiefel auf die erste der feuchten grauen Steinstufen.
KAPITEL 7 - Nicht der leiseste Hinweis
^Die Stufen führten spiralförmig in die Dunkelheit hinab und trugen Clive rasch ins Unbekannte. Einen Augenblick lang blieb er stehen und warf einen Blick nach oben. Die offene Falltür war zu einem winzigen Viereck zusammengeschrampft, und zwar wesentlich rascher, als Clive es erwartet hätte.
Während er noch hinaufstarrte, verschwand das Rechteck aus Licht. Offensichtlich hatte Philo Goode die Falltür zugeworfen. Clive hatte den Verdacht, daß er, wenn er umkehrte und die Stufen hinaufstiege, die Tür von unten nicht mehr öffnen könnte.
Er hatte allerdings nicht die Absicht umzukehren. Er hatte sich fürs Handeln entschieden, und wenn er eines durch seine Abenteuer im Dungeon gelernt hatte, dann war's das Weitergehen. Immer weitergehen. Auf dem Weg mochten Gefahren liegen, vielleicht erwartete ihn das Verhängnis. Aber unabhängig vom Punktestand: Es gab immer eine Erfolgschance. Durch eine Umkehr war nichts zu gewinnen. Sicherlich nicht jetzt.
Wenngleich die Stiege durch Dunkelheit führte, leuchteten die Stufen selbst genügend, um ihn zu leiten. Clive schritt stetig voran; er zählte weder die Stufen, noch versuchte er, die vorbeistreichende Zeit abzuschätzen. Schließlich würde er das Ende des Abstiegs schon erreichen und herausfinden, was unter Philo Goodes Etablissement auf ihn wartete.
Irgend etwas wischte ihm übers Gesicht und war verschwunden. Er fragte sich, was das gewesen sein mochte - vielleicht eine Fledermaus. Irgendein Wesen hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt und war in der unterirdischen Düsternis ebenso zu Hause, wie es Clive auf den Besitztümern des Vaters in Tewkesbury gewesen war.
Nach einiger Zeit erreichte er eine gepflasterte Ebene. Im Licht einiger Lampen sah er, daß die Stiege jäh endete. Ein wenig tiefer lag eine Art Straße.
Wie als Antwort auf Clives Gegenwart - obgleich er sich fragte, ob das Zusammentreffen auf bloßem Zufall beruhte - verspürte er das kalte Sausen eines Winds und hörte ein Geräusch, das stetig anschwoll, von einem leisen Wusch zum Heulen eines starken Winds.
Er wandte sich um und sah einen erleuchteten Wagen die Straße heraufkommen. Eine Kuppel aus Glas oder einem ähnlich durchsichtigem Material wölbte sich über einem metallenen Rumpf. Im Passagierabteil innerhalb des Wagens erblickte er einen einzelnen Reisenden. Der Wagen erinnerte an die Wagen des Zugs, dem er zum erstenmal auf der Ebene von Q'oorna und dann wieder im arktischen Meer der Erde begegnet war.
Der Wagen hielt an. Clive hörte den Motor pulsieren wie ein lebendes Herz.
Er sah hinüber zum Passagierabteil, zuckte heftig zusammen und rannte dann mit größter Geschwindigkeit zum Wagen. Der Passagier schwang die Türe auf und rief ihm zu: »Clive!«
»Annie!«
Er sprang ohne Zögern in den Wagen. Die junge Frau stand da, und Clive nahm sie in die Arme und schwang sie freudig im Kreis herum. »Annie, mein liebes Mädchen! Meine liebe Ururenkelin Annie!«
»Laß mich runter, Clive! Großpapa!« Sie benutzte diesen Ausdruck nur selten und blieb lieber beim Namen. Ihr Zeitalter war ungezwungener, und abgesehen davon war Clive, wenn man
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