Bizarre Beziehungen - V 1.0
Fall.«
»Mit Sicherheit nicht achtundzwanzig.«
»Sicherlich nicht.«
Madame Mesmer verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging wie ein Mann im Raum hin und her. Nach einer Weile kehrte sie zu du Mauriers Bett zurück. Sie beugte sich behutsam darüber, musterte den Mann und erhob sich wieder. »Er schläft. Seine Kraft ist begrenzt. Aber das Ende, obgleich es sich mit Riesenschritten nähert, ist noch nicht gekommen.«
Sie blickte Clive ins Gesicht.
»Sie fragen sich wohl, welche Rolle ich in diesem kleinen Drama spiele, Major.«
»In der Tat!«
»Sie haben vielleicht von meinem berühmten Vorfahren gehört. Dem großen Franz Anton Mesmer.«
»Ich habe von dem großen Scharlatan Anton Mesmer gehört. Vergeben Sie mir, Madame, daß ich so offen spreche. Aber meiner Ansicht nach ist ein offenes Wort ehrenhafter, als etwas vorzutäuschen -selbst zu dem Preis, daß man jemanden beleidigt, den man nicht beleidigen möchte.«
Ihre anmutigen Wangen röteten sich, und die Flamme der Öllampe schien sich kurz darin widerzuspiegeln. Die Augen waren sehr dunkel. Vielleicht hatte sich die Iris in der schwachen Beleuchtung des Krankenzimmers geöffnet, und die Augen sahen deshalb dunkler aus als gewöhnlich.
»Mein Vorfahr, Major, wurde von den Neidischen und den Unwissenden an den Pranger gestellt. Aber seine Theorien des lebendigen Magnetismus und seine Versuche, ihn zu beherrschen -was zu dem Begriff des Mesmerismus geführt hat -, sind niemals angezweifelt worden. Nicht ein einziges Mal. Im Gegenteil. Forscher auf allen Kontinenten haben Anton Mesmers Arbeiten wiederholt, und ihre Ergebnisse haben ausnahmslos seine Annahmen bestätigt. Die Zeit wird kommen, da man ihn als eine der wirklich großen Gestalten der menschlichen Geschichte betrachten wird!«
»Ich möchte mich nicht streiten, Madame. Aber würden Sie vielleicht freundlicherweise zum Punkt kommen?«
»Mein Punkt, Major, ist der, daß es für den Unterschied in der Zeit, wie sie von Herrn du Maurier und Ihnen erlebt wurde, mehrere Erklärungen gibt. Die eine Erklärung ist die, daß Sie in der Tat nur wenige Jahre lebten, während Herr du Maurier achtundzwanzig Jahre lebte. Diese andere Realität, die Sie erlebten, dieses - Dungeon mag gleichzeitig mit der Erde existieren. In diesem Fall...«
Sie hatte ihren ruhelosen Marsch wiederaufgenommen, und die Hände waren wie zuvor auf dem Rücken verschränkt. Während sie so zwischen ihm und der Öllampe hin- und herging, mußte Clive einfach auffallen, wie das Licht der Lampe auf dem anmutigen Busen flak-kerte. Er unterdrückte einen scharfen Atemzug und konzentrierte sich auf ihre Worte.
»In diesem Fall«, wiederholte sie, »existiert Ihr 1870, wie wir sagen wollen -das Jahr 1870 des Dungeon -Seite an Seite mit dem Jahr 1870 der Erde. Sie haben nur, sagen wir, zwei Jahre lang gelebt. Sie erreichten das Jahr 1870, als Sie von George du Mauriers psychischer Kraft sechsundzwanzig Jahre in Ihre Zukunft gezogen wurden. Ihre Zukunft. Unsere Gegenwart. Das Jahr 1896.«
»Eine hübsche Idee«, erwiderte Clive. Er erhob sich vom Stuhl und stellte sich vor sie. »Reisen durch die Zeit. Auf diese Weise könnte man reisen und den Bau der Pyramiden beobachten, die Teilung des Roten Meers, die Landung auf dem Berg Ararat, selbst die Kreuzigung des Erlösers ...«
»... oder man könnte in die entgegengesetzte Richtung fliegen und die langsame Evolution unserer Nachkommen beobachten, zumindest nach den Theorien von Darwin und Wallace. Die Verlangsamung der Erdrotation, das Abschwächen der Sonne zu einem dunklen Roten Riesen.« Sie hatte Clives Aufzählung mittendrin aufgenommen und ohne weiteres fortgeführt.
»Aber Sie sagen, es gebe mehr Erklärungen als nur die eine«, sagte Clive und nahm den Gesprächsfaden wieder auf. Er war an die Frau herangetreten und bemerkte jetzt, daß sich aufgrund ihrer ungewöhnlichen Größe -im Gegensatz zu seiner durchschnittlichen Größe -ihre beiden Gesichter auf gleicher Höhe befanden. Der Puls dröhnte ihm in den Ohren bei der Wärme, die das Lampenlicht ihrer olivfarbenen Haut und den großen schwarzen Augen verlieh.
»Nehmen wir einmal an«, sagte sie lächelnd, »daß die Zeit nicht immer und überall gleich schnell verstreicht. Nehmen wir an, daß der Zeitstrom in einem Teil der Schöpfung rascher fließt als in einem anderen.«
»Absurd.« Clive runzelte die Stirn.
»Aber ein Wasserstrom kann in einer Region sehr rasch fließen, wo er einen abschüssigen
Weitere Kostenlose Bücher