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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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fünf, sechs Jahren. Nötigung, schwere Körperverletzung, Unzucht: Der Mann arbeitet offenbar das ganze Strafgesetzbuch durch. Hat aber die teuersten Anwälte auf der Lohnliste, alle namhaften jüdischen Kanzleien der Stadt; die pauken ihn jedes Mal raus. Ein unbescholtener Bürger einstweilen, weil er sich diesen ehrenwerten Rechtsbeistand leisten kann.«
    Stapel drei.
    Â»Hier haben wir eine Aufstellung seiner Vermögenswerte, die Kauf- und Pachtverträge seiner Etablissements, Bankbewegungen. Das Material ist unvollständig; die Herren Bankiers mauern, wahrscheinlich wollen sie sich die kleinen Gefälligkeiten ihres Gönners nicht verscherzen. Wer ist schon die Kriminalpolizei des Deutschen Reichs, die in einem mehrfachen Mordfall ermittelt, gegen eine minderjährige Negerhure mit Bananenröckchen, die einem auf dem Schoß sitzt?
    Immerhin, ein paar Zahlen haben wir zusammengebracht. Ich habe nur flüchtig reingesehen, aber mir scheint, das Imperium darbt gerade ein bisschen. Nichts, was einem wie Jenitzky den Mittagsschlaf vermiesen könnte, aber – wie nennt es dieser Seelendeuter Freud? – es kratzt am Ego.«
    Vier.
    Â»Die Gasbombe. Hat ja nicht jeder so ein Ding in der guten Stube im Schrank stehen. Unsere ist Baujahr 16 und unregistriert, war also nicht östlich der Oder unterwegs, sondern ist gleich aus Reichswehrbeständen abgewandert. Irgendwelche geschäftstüchtigen Individuen werden das Gerät noch im Herstellungswerk abgezweigt und so die deutsche Wehrkraft einmal mehr geschwächt haben.«
    Â»Schwarze Reichswehr?«, wollte Sándor wissen, und Belfort schnaubte erwartungsgemäß verächtlich. Bruno Buchruckers illegalen Verbände, die bei Küstrin versteckten Kampfeinheiten oder die bayrischen Truppenteile, zusammen im ganzen Reich sicher 30.000 Mann, bildeten eine bedrohliche Schattenarmee, jeder poli tischen oder polizeilichen Kontrolle entzogen, nationalistisch, kampfbereit, hochbewaffnet. Ein klarer Verstoß gegen die Versailler Verträge und ein offenes Geheimnis. Doch wer davon sprach – wie Professor Gumbel aus Heidelberg, der die Fememorde unter den aufgeheizten paramilitärischen Gruppierungen untersucht hatte –, wurde des Landesverrats bezichtigt. Von der Schwarzen Reichswehr sprach man nicht, und auch Belfort wechselte abrupt das Thema und fragte stattdessen, ohne die weiteren Mappenstapel zu erläutern:
    Â»Und was haben Sie gemacht?«
    Â»Kaffee getrunken«, gab Lehmann ohne Umschweife zurück, steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte hinüber zu seinem eigenen, weit unbenutzter wirkenden Schreibtisch. Belfort folgte ihm mit einer langen Papierrolle; einem Grundriss, den er auf Sándors Schreibtisch ausrollte.
    Â»Kaffee? Dann sind Sie vielleicht wach genug, mal auf dieses nützliche Stück Papier hier zu schauen. Eine Lageskizze vom Café Jenitzky; die haben wir eben mithilfe eines festgenommenen Individuums angefertigt, das unten noch verhört wird und Jenitzkys Laden ebenfalls gut kennt. Der Mann wollte uns einen kleinen Gefallen tun, damit Schmitzke nicht so detailliert wissen will, womit er sein trübes Einkommen erzielt. Also: Hier drüben liegt die Friedrichstraße, um die Ecke in der Taubenstraße ist der Haupteingang. Zwei Lieferanteneingänge, ein Fahrstuhl in den Keller, hier zwei, nein, drei Feuerleitern nach oben. Insgesamt leicht zu kontrollieren. Zwanzig Mann müssten völlig reichen, und mit zwei mal zehn weiteren lässt sich das Publikum auch zur besten Zeit zügig durcharbeiten.«
    Â»Wollen Sie eine Razzia machen?«, fragte Lehmann ohne jede Gefühlsregung, und Belfort übertraf ihn noch an Gelassenheit, rollte den Plan wieder zusammen, schnippte ein Ringgummi über die Rolle und zielte mit der Mündung des langen Papierrohres auf die Brust seines Gegenübers.
    Â»Nein, mein Lieber« – die Stimme dehnte sich, vermied jede Ironie, versuchte, beiläufig zu klingen –, »SIE wollen eine Razzia machen. Oder haben Sie heute Abend schon etwas anderes vor?«

ZELLENGEFÄNGNIS
    Unterm Präsidium liefen die Vernehmungen, und Sándor war klar, dass er sich nicht den ganzen Tag davor drücken könnte. Hansen, Schmitzke, der dicke Plötz waren schon als »Minenarbeiter« eingeteilt, eine stickige, anstrengende Tätigkeit unter Tage, zwei Treppen unter dem Erdgeschoss, fern vom

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