Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
Vom Netzwerk:
schon die halbe Welt um die Gage geprellt? Warum spielt ihr alle nur auf Vorkasse bei ihm?«
    Julian schüttelte den Kopf, wahrscheinlich ungläubig über die Unverfrorenheit, mit der sein alter Freund ihn hier für Spitzeldienste anheuerte, doch dann lächelte er, hielt inne, hob beide Hände rechts und links neben den Kopf und nickte ergeben.
    Â»Okay, okay, ich werde mich umhören. Werde die Jungs fragen, Borchard, Weintraub, wen ich so sehe. Erwarte nicht zu viel. Sicher, dass Jenitzky nicht einfach pleitegehen will, ist klar. Vielleicht hat er ja wahrhaftig einen seiner Männer in die Femina geschickt; der Bursche ist gewalttätig und paranoid. Allerdings …« Julian lehnte sich zurück, und die bunte Barbeleuchtung spiegelte sich in den Scheiben seiner Brille.
    Â»Allerdings was?«, warf Sándor ein, obwohl er ahnte, was jetzt kam.
    Â»Allerdings werde ich mich hüten, ihm das heute Abend ins Gesicht zu sagen.«
    Sándor Lehmann grunzte zustimmend.
    Â»Keine Frage. Ihm alles zutrauen, das ist noch kein Tatmotiv. Wenn ich sicher wäre, würde ich ihn hochnehmen.«
    Julian nickte.
    Â»Geht doch hin. Macht Razzia. Nehmt zwei, drei seiner Läden auseinander.«
    Sándor nickte ebenfalls.
    Â»Wahrscheinlich wird es darauf rauslaufen. Mein neuer Kollege bevorzugt den ganz großen Auftritt, mit ’ner einfachen Vernehmung ist es dem nicht getan.«
    Julian hob die Achseln und ließ sie wieder fallen.
    Â»Na, denken wir mal positiv, positively absolutely« – die englischen Brocken stammten aus einem seiner neuen Arrangements –, »und hoffen, dass dein Kollege nicht schon heute Abend Jenitzky die Tür einrennt.« Er machte eine nachdenkliche Pause und fragte dann noch einmal nach: »Bleibt’s dabei, kommst du wirklich zum Auftritt?«
    Sándor blinzelte und lächelte übertrieben verschlagen.
    Â»Ist Bella mit von der Partie?«
    Julian stutzte, nickte, grinste.
    Â»Die war ganz empört, als ich nach gestern alle Auftritte erst mal absagen wollte. Das Mädel hat Haare auf den Zähnen; was die sich in den Kopf setzt, macht sie auch. Fabelhaft! Und wer spielt das Klarinettensolo? Muss ich Charlie Vidal fragen, oder kann ich mit dir rechnen?«
    Â»Ja. Ich bin dabei. Inkognito. Du erkennst mich an dem riesigen roten Schnurrbart, alter Freund.«
    Er schlug dem Bandleader auf die Schulter und winkte Arno zu, dem Mutter Fuhs gerade einen mehrstöckigen Bohnenkaffee zuschob.
    Â»Das ist nicht Pluto, das ist Mars!«, deutete Arno auf den Kaffee, und Hertha Fuhs drückte Sándor an den wogenden, von einer zu eng geknoteten Kellnerinnenschürze in Form gehaltenen Busen. Sie deutete durch das herabgelassene Rouleau in Richtung Femina.
    Â»Sándor, meinem Jungen wollte ich die Musiziererei damals nicht erlauben, aber bei Ihnen, ehrlich gesagt … bei Ihnen wär’s mir manchmal am liebsten, wenn Sie diesen noch viel gefährlicheren Polizeiberuf an den Nagel hängen würden und nur noch Klarinette spielten.«
    Â»Mach’ ich, Frau Fuhs, versprochen.«
    Â»Im Ernst?«
    Â»Ganz sicher. So wahr mein Schnurrbart echt ist!« Er lachte.
    Hertha Fuhs schüttelte tadelnd den Kopf.
    Â»Polizei oder Musiker, Angst um euch Bengels habe ich sowieso. Irgendwann werden sie euch noch alle einsperren, bloß weil ihr diese Jatz-Musik macht.«
    Â»Dschässs, Mama«, murmelte Julian vom Tresenrand. Er war längst wieder in die swingende Welt seiner Arrangements eingetaucht und tippte rhythmisch mit den Füßen auf die Messingstange am Tresensockel.
    Sándor lachte und tätschelte Mutter Fuhs’ Hand, die auf dem Tresen lag.
    Â»So weit sind wir in Deutschland nun doch noch nicht, dass einer eingesperrt wird, weil er die falsche Musik macht, Frau Fuhs«, versicherte er.
    Hertha Fuhs blickte skeptisch. Sie seufzte. Arno Lewitsch kippte den Kaffee hinunter und schüttelte sich.
    Â»Sándor«, murmelte er, »auch da?«
    Sándor Lehmann nickte aufmunternd und wiederholte die Textzeile aus Julians neuestem Arrangement:
    Â»Positively absolutely, Arno!«

DIE POLIZEI
    Belfort stand am Fenster und sah mit einer unübersehbaren Heiterkeit in den Innenhof, als Sándor Lehmann das gemeinsame Büro am Alexanderplatz betrat. Diese entspannte Zuschauerpose war so ungewöhnlich für den Mann, dass Sándor sich neben ihn stellte und seinem Blick aus dem Fenster

Weitere Kostenlose Bücher