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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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sich noch ein zweites Mal in diesem Leben, und dann ist er dran, das schwöre ich Ihnen.«
    Sándor war froh, dass der andere das Duzen wieder abgelegt hatte. Sie saßen in einem Nebenraum der Verhörzelle, und Belfort hatte offenbar eben mit der Vernehmung seines Gefangenen anfangen wollen, als er dazugekommen war.
    Â»Ich hätte Jenitzky das Alibi fast nicht abgekauft, es war mir zu dick aufgetragen – diese Anwälte haben es faustdick hinter den Ohren, und diesem kleinen Jazzmusikflittchen kann man ganz sicher nicht trauen.«
    Sándor beschloss, über diesen Teil der Feststellung gelegentlich separat nachzudenken, wenn Nachdenken wieder möglich war. »Wen haben Sie denn nun schon wieder eingebuchtet?«, wollte er wissen. »Einen Rabbiner? Ein paar Thora-Schüler? Oder gleich was Größeres, einen fetten jüdischen Bankier vielleicht?«
    Belfort nickte höhnisch.
    Â»Ihnen hat der kleine Irrtum mit Jenitzky wahrscheinlich noch Freude bereitet, habe ich Recht? Weil Sie mir den Erfolg nicht gönnen wollen – und weil Sie nicht zugeben wollen, dass ich mit meiner Methode recht behalte und zum Ziel kommen werde, und das heute noch.«
    Â»Heute?« Nun war Sándor doch neugierig geworden.
    Belfort nickte siegessicher, von sich selbst überzeugt.
    Â»Heute. Hier nebenan sitzt der Bombenbauer – ich habe die Waffenhehler der ganzen Stadt durch die Mangel drehen müssen, bis ich den Burschen am Schlafittchen hatte. Die Brüder wissen genau, dass es für sie um Leben und Tod gehen kann, wenn sie bei einem kommunistischen Aufstand die Waffen liefern und erwischt werden, deshalb sind sie momentan nicht gerade gesprächig unsereins gegenüber, wenn man nicht nachhilft – aber schließlich habe ich diesen Mann zu packen gekriegt. Schmitzke und Plötz haben den Burschen hierher aufs Revier geschafft. Und heute, gleich jetzt, wird er uns nicht nur detailliert erklären, wie er diese sorgfältig aufbewahrte Weltkriegsbombe scharfgemacht und mit einem speziellen, berührungssensiblen Zünder ausgestattet hat, mit dem der Täter den Sprengsatz nur behutsam und unauffällig irgendwo ablegen musste und weggehen konnte, bis irgendein armer Teufel mit der Schuhspitze an das Ding stieß … Er wird uns auch genau beschreiben, wie der Verdächtige aussah, der diese Höllenmaschine bei ihm beauftragt, bezahlt und abgeholt hat. Diese Höllenmaschine – und eine zweite, die schon vor Wochen in den Besitz unseres Attentäters gelangt ist, eines Mannes, der im Begriff steht, heute Abend zum zweiten Mal einen Tanzpalast unter Gas zu setzen!«
    Das war ein langer Vortrag; Belfort hatte sich in Rage geredet und schritt mit unternehmungslustigem Glanz in den Augen hinüber in den Verhörraum. Sándor folgte langsamer, nahm aber Belforts Vorschlag sofort an, das Verhör selbst zu führen. Er wollte herausfinden, wie weit der Bombenbauer Belforts Version wirklich bestätigen würde, wenn man ihm die Worte nicht in den Mund legte. Belfort machte, mit einem spöttischen Lächeln und einem verächtlichen Blick, eine übertriebene einladende Handbewegung und setzte sich auf einen Stuhl außerhalb des Scheins der Verhörlampe; Sándor nahm am kleinen Tisch gegenüber dem Festgenommenen Platz, und die Vernehmung begann.
    Der Bombenbauer oder – Sándor war sehr genau in diesen Dingen – der Mann, dem Belfort den Bau der Bombe oder der Bomben zuschrieb, war ein schlaksiger, kurzsichtiger Kerl mit ungewöhnlich schmalem Gesicht und scharf geschnittener, schlanker Nase, auf der eine sehr kleine Nickelbrille blitzte, wenn er den Kopf bewegte. Am spitzen Kinn wuchs spärlicher blonder Flaum, und die Haare waren lang und hell. Der Mann hätte ein schlecht genährter Jesus-Darsteller sein können in einem der Passionsspiele, die Belfort sicher in seiner Zeit in Bayern gesehen hatte, und wie ein schlecht gespielter Jesus vor seiner Kreuzigung schien auch diesem Sünder hier weniger der Angstschweiß im Gesicht zu stehen als eine bizarre Milde, die wohl aus Unkenntnis der Schwere des Vorwurfs resultierte. Der Bombenbauer wollte helfen, aufklären, womöglich noch ein bisschen Verständnis oder gar Hochachtung abstauben für das technische Meisterwerk, das er da geschaffen hatte. Ein Spinner und esoterischer Bastler – das sah Sándor auf den ersten Blick –, aber vermutlich kein

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