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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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konnte nicht anders, er musste das Stottern des Bombenbauers nachahmen, »dein Kla-Kla-Klarinettenspieler?«
    Robert Schreyer war sicher zeitlebens viel gehänselt worden mit seiner Stotterei, und auch hier unten so schlecht behandelt zu werden, verletzte ihn sichtlich. Als Stotterer verhöhnt, als Techniker und genialer Ingenieur nicht ernst genommen zu werden, war hart. Er schwieg verbockt.
    Da drang aus dem Dunkel des Raums noch eine zweite Stimme zu ihm, die das Gleiche fragte; eine Stimme, die in ihrer Unvermitteltheit den dürren Mann so erschreckte, dass er auf dem Stuhl herumfuhr und fast umgestürzt wäre samt Tischchen und Lampe. »Ja, wie sah der Mann aus, der eine Bombe im Klarinettenformat wollte?«, fragte Belfort und trat in den Lichtkreis. »Sag es uns. Jetzt.«
    Der Bombenbastler Robert Schreyer klappte den Mund auf, aber er stotterte nicht mehr, sondern sah mit aufgerissenen Augen von einem zum anderen und flüsterte mit einer Stimme, deren panisch verängstigter Klang keinen Zweifel an der Wahrheit seiner Worte zuließ:
    Â»Er hatte einen roten Schnurrbart, einen riesigen roten Schnurrbart.«
    Â»Für einen Kriminalisten lag doch auf der Hand, dass der Täter aus der Niggerjazz-Szene kommen musste«, brüstete sich Belfort oben im Büro vor dem eilig herbeigerufenen Ernst Gennat, dem schweigsamen und noch immer unter dem Absturz der letzten Nacht leidenden Sándor und Fräulein Wunder, die Belfort schon vor dem Verhör mit dem Besorgen eines Kuchens beauftragt hatte und die diesen eben unter den wohlwollenden Blicken des dicken Bosses anschnitt. Immerhin, der Kaffee war diesmal nicht rationiert, und Sándor trank zwei große Tassen, ohne auf die schmerzende Hitze zu achten, die seine Zunge verbrannte und seine Kehle hinunterrann.
    Belfort zählte an den Fingern der rechten Hand auf:
    Â»Es gibt immer mehr Bands, die unsere Jugend mit diesem amerikanischjüdischen Urwaldgetrommel verführen. Die Gagen sinken. Alle paar Meter macht ein neuer Tanzladen auf; nach den Nachtclubmeilen an der Friedrichstraße oder der Königgrätzer zunehmend auch drüben im Westen am Tauentzien, der Motzstraße, Augsburger, am Kurfürstendamm. Unsere Stadt versinkt im musikalischen Morast, aber der Schuss geht nach hinten los, denn die Bands konkurrieren, es wollen zu viele mitverdienen auf gute jüdische Art.«
    Sándor ächzte, und Gennat räusperte sich; der Boss hatte nach zwei Stücken Kuchen kurz zugehört und fand die theoretischen Ausführungen zu ausufernd. Was gab es an Fakten? Hatten sie den Täter oder nicht?
    Belfort schnippte mit den Fingern, ein klatschendes Geräusch wie ein kleiner Peitschenhieb.
    Â»Dass es ein Einzeltäter ist, haben wir lange bezweifelt. Jetzt gibt es Hinweise darauf, dass vielleicht eine ganze Jazzkapelle dahinterstecken könnte; die Negerjazz-Hottentotten von Julian Fuhs.« Fräulein Wunder, die gerade ein Tablett mit noch mehr Kuchen vorbeibalancierte, blickte entgeistert auf.
    Â»Die ›Follies Band‹? So eine erfolgreiche Tanzkapelle begeht doch keinen Mord!«
    Belfort lachte sein ungezwungenes Jungenlachen, schallend, aber herzlos.
    Â»Ich wollte, ich könnte Ihnen da beipflichten, mein liebes Fräulein Wunder! Aber Fuhs war in Amerika, und es gibt eine schriftliche Meldung unserer Kollegen vom FBI, dass er dort an einem Streik der Musikergewerkschaft teilgenommen hat. Ich glaube, wir können unseren jüdischen Herrn Fuhs getrost der Vorbereitung einer amerikanisch-kommunistischen Verschwörung bezichtigen!«
    Sándor wollte kopfschüttelnd dazwischenfahren; jüdisch, kommunistisch, amerikanisch – das waren entschieden zu viele Adjektive, mit denen Kollege Belfort da jonglierte. Aber Gennat hatte das Wort »FBI« gehört und winkte ab; Kooperation mit den Amerikanern, das war genau die moderne Polizeiarbeit, die er immer propagierte; der Junge hier war womöglich auf der richtigen Spur, wenn er so vorging. Belfort fuhr fort:
    Â»Julian Fuhs profitiert massiv von der Verunsicherung der Jazzszene. Wenn Lokale schließen, wenn Bands aus Angst vor Anschlägen nicht mehr auftreten, dann steigen die Gagen. Er selbst braucht keine Angst zu haben, denn er weiß ja, wann und wo eine Bombe hochgeht – weil er sie selber legt, meine Herren. Und heute Nachmittag haben wir – Kollege Lehmann hier neben mir war dabei und kann das

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