Black Cats 01. Was kostet der Tod
auch wenn Lisa Zimmerman im März verschwunden war, also einen Monat vor dem Erscheinen des ersten Videos, musste das nicht heißen, dass sie gleich gestorben war. Aber die kahlen, düsteren Bäume deuteten darauf hin, dass sie ziemlich bald Bekanntschaft mit der Stahlklinge hatte machen müssen.
»Und das Foto der Vermisstenanzeige«, schloss Dean, »sieht der Frau in dem Video sehr ähnlich.« Für sie als Fremde schien es offensichtlich, dass Lisa Zimmerman das unbekannte Opfer war. Jetzt mussten sie sich das nur noch von jemandem bestätigen lassen, der sie kannte.
Dean starrte aus dem Fenster und fragte sich, wie wohl die Einwohner dieses Ortes reagieren würden. Bei der Vorstellung, dass der Sensenmann hier in ihrer idyllischen Kleinstadt lebte, würden die meisten sich wahrscheinlich umgehend im Keller verbarrikadieren.
Aber alles passte zusammen. Wenn Lisa wirklich das erste Opfer des unbekannten Täters war, lag es nahe, dass er aus dieser Gegend stammte. Und Dean wollte ihn unbedingt erwischen.
Sich den Mord anzuschauen war schlimm gewesen. Aber es hatte nicht so lange gedauert wie bei den anderen. Die junge Frau hatte an einem Baum gehangen, nackt, die Arme über dem Kopf. Während der Mörder sich mit der Klinge ausgetobt hatte, war sie wohl innerhalb von zwanzig Minuten nach dem ersten Hieb gestorben, so hatte Brandon geschätzt.
Es war furchtbar gewesen. Allerdings nicht so grausam wie bei einigen der anderen Opfer, deren Qualen mehrere Stunden angedauert hatten. Wie Cole gesagt hatte: Es gab verschiedene Grade von »schrecklich«.
»Sie haben gesagt, dass Sie den Eindruck hatten, der Sheriff hat das Opfer persönlich gekannt?«
»Ja.« Dean schaute sich erneut um. Es brauchte nicht viel, um die ganze Stadt ins Auge zu fassen. »Ich denke schon.«
Sheriff Rhodes, deren junge, kräftige, aber dennoch feminine Stimme ihn gestern am Telefon einen Augenblick lang aus der Fassung gebracht hatte, hatte ihm keine Einzelheiten über ihre Beziehung zu Lisa Zimmerman verraten. Aber er wettete, dass sie sich gekannt hatten.
»Gut, dass Brandon einige Standbilder gemacht hat«, sagte Wyatt. »Ich würde niemandem, der die junge Frau persönlich kannte, zumuten wollen, sich das ganze Video anzuschauen.«
»Sogar für einen Fremden ist es kaum erträglich.«
»Zum Glück mussten wir keine Familienangehörigen bitten, eins der anderen Opfer zu identifizieren«, antwortete Wyatt.
»Wohl wahr. Wenn diese Schweine von Satan’s Playground etwas mitbekämen, wäre der ganze Fall vermasselt. Der Täter würde schleunigst in die Abgründe des Internets abtauchen und wäre wahrscheinlich nie mehr auffindbar.«
Sie hatten keine persönliche Identifikation vornehmen müssen, um sieben der acht Opfer zu ermitteln. Es gab Autopsieberichte und Polizeiermittlungen, die konsultiert werden konnten. Brandon war auf das erste Opfer gestoßen, dann hatten sie sechs weitere zuordnen können. Sie hatten zahllose Berichte und Datenbanken nach ungelösten Morden durchkämmt, die zu den Videos passten. Und von dem ersten Gratisfilm abgesehen waren die Leichen der Opfer in allen Fällen bereits gefunden und identifiziert worden.
»Ich hoffe, dieser Sheriff ist so kooperativ wie die anderen Dienststellen«, sagte Dean. Bei jedem einzelnen Mord hatte die örtliche Polizei im Dunkeln getappt, sodass sie dem FBI ausnahmsweise einmal nicht übel nahm, dass es sich einmischte. Die Fälle hatten nicht gelöst werden können, und die Akten waren vorläufig geschlossen worden – manche Morde lagen länger als ein Jahr zurück. Außerdem waren sie anders als alles, was den Kleinstadt-Behörden je untergekommen war.
Hätte irgendjemand schon früher eine Verbindung zwischen diesen Morden hergestellt, wäre das FBI längst eingeschaltet worden. Aber niemandem war der Zusammenhang aufgefallen. Der Kniff des Sensenmanns, die Wahl der Tötungsweise und nicht des Opfers zu versteigern, hatte ihm geholfen, unentdeckt zu bleiben. Niemand hatte über eine einheitliche Handschrift stolpern können. Es gab kein wiederkehrendes Muster, außer dass alle Verbrechen ungewöhnlich brutal gewesen waren. Auch die Opfer unterschieden sich voneinander, abgesehen davon, dass sie alle weiße Frauen waren. Ihr Alter reichte von siebzehn bis vierzig. Zwei waren verheiratet gewesen und hatten Kinder gehabt, bei dreien handelte es sich um junge Studentinnen. Manche waren sexuell misshandelt, aber nicht vergewaltigt worden. Manche Leichen waren in Wäldern
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