Black Cats 01. Was kostet der Tod
betrat. Sie stellte eine qualmende Tasse auf den Tisch und reichte Mrs Freed einen Donut mit einer Serviette.
Winnie nahm die Kaffeetasse in die Hand und stopfte den Donut in ihre große Handtasche, als wollte sie ihn verstecken. Genau, wie sie diese Fahrten zum Büro des Sheriffs geheim hielt.
Stan Freed hegte seiner Stieftochter gegenüber nicht so liebevolle Gefühle wie Winnie. Der Mann mit dem ausdruckslosen Blick hatte Lisa schon längst abgeschrieben. Deswegen kam Winnie mittwochs hierher: Es war der einzige Tag in der Woche, an dem sie freihatte und ihr Ehemann nicht.
»Vielen Dank, Sheriff.« Winnie stand langsam auf. »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie nicht aufgeben.«
Stacey erhob sich, schüttelte ihr die Hand und bemerkte dabei, wie zerbrechlich ihre dünnen Finger waren. »Keine Ursache.«
Mrs Freed schleppte sich hinaus, und das Gewicht der ganzen Welt lastete auf ihren knochigen Schultern.
Tragisch. Die meisten Leute hatten Lisa schon vor langer Zeit aufgegeben. Ihre Mutter würde das nie tun. Und Stacey ebenso wenig – weil sie loyal war und weil sie ihre Arbeit gut machte.
Dieser Gedanke ging ihr den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Sonst passierte kaum etwas – keine Anrufe, keine Raser in der Innenstadt. Die meiste Zeit saß Stacey in ihrem Büro, erledigte Papierkram und erfüllte ihr Versprechen gegenüber Mrs Freed.
Es war zwar zwecklos, aber sie sah nochmals die Online-Datenbanken durch und stellte Lisas Vermisstenmeldung neu ein. Sie prüfte die aktuellen Berichte des National Crime Information Center und hielt Ausschau nach Fällen, bei denen eine unbekannte Frau auftauchte, auf die Lisas Beschreibung passte, insbesondere Drogenstraftaten. Sie fand nichts – wie jedes Mal. Aber immerhin konnte sie in einer Woche sagen, dass sie es versucht hatte.
Später fiel ihr ein, dass sie eine Sache noch für Winnie tun konnte. Lisas Vermisstenmeldung hing schon sehr lange am Schwarzen Brett, und das sah man. Eine neue auszudrucken bedeutete keinen großen Aufwand, aber es war wenigstens etwas, das in Staceys Macht stand.
Sie öffnete die Datei und überflog die Details. Wieder verspürte sie kurz dieses Gefühl von Verwirrung, das sie seit Lisas Verschwinden immer wieder überkam. Lisa hatte sich an dem Abend unerlaubt den Firmenwagen ihres Stiefvaters ausgeliehen. Er war vor Dicks Taverne gefunden worden. Aber warum hatte sie die fünfzig Dollar auf dem Armaturenbrett liegen lassen?
Stacey konnte sich vorstellen, warum sie das Geld nicht mit zu Dicks hineingenommen hatte. »Du hast es dir für etwas Bestimmtes aufgehoben«, sagte sie zu der Frau, deren ausgezehrtes Gesicht sie vom Bildschirm ansah. »Du hattest Angst, dass du dich betrinken und es ausgeben würdest, wenn du es mit hineinnimmst.«
Aber warum hatte sie ohne das Geld die Stadt verlassen? Jemand wie Lisa hätte daran als Allererstes gedacht. Verdammt, in Anbetracht der Typen, mit denen sie sich in den letzten Jahren abgegeben hatte, und eingedenk ihrer wohlbekannten Abneigung gegen ihren Stiefvater war es ein Wunder, dass sie nicht sein Auto gestohlen und es verscherbelt hatte.
Andererseits war die junge Frau nicht dumm. Das Auto war ganz schön auffällig, mit diesem dämlichen Logo auf der Seite – ein grinsender Laptop. Dennoch, die fünfzig Dollar liegen zu lassen sah Lisa nicht ähnlich.
»Eigenartig, dass du daran nicht gedacht hast«, murmelte Stacey, während sie weiter auf Lisas Foto starrte und versuchte, das hübsche Mädchen in dem Junkie wiederzufinden.
Als sie das Piepen hörte, schickte sie erst die Datei an den Drucker, dann schaltete sie die Sprechanlage frei. »Ja, Connie?«
»Sheriff, ein Anruf für Sie auf der privaten Leitung.«
Die private Leitung war eigentlich nicht privat. Es war die Durchwahl, die sie intern verwendeten und für Gespräche mit Kollegen. An die Ortseinwohner gaben sie die Nummer nicht heraus, sie würden die Leitung nur mit Beschwerden blockieren, dass die Müllabfuhr zu spät käme oder zu früh. »Wer ist dran?«
»Er sagt, er sei vom FBI ! Special Agent Taggert.«
Ein Special Agent vom FBI . Nicht unbedingt ein Ereignis für eine Pressekonferenz, aber immerhin etwas Neues. »Stellen Sie ihn durch.«
Während Stacey auf den Anruf wartete, nahm sie das weiße Blatt aus dem Drucker. Sie hielt es gerade in Händen, als das Telefon zweimal klingelte.
»Sheriff Rhodes.«
Nach kurzem Zögern stellte der Anrufer sich vor und fügte hinzu: »Ich rufe wegen einer vermissten
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