Black CATS - Parrish, L: Black CATS
Frau mit kurzen dunklen Haaren. Offenbar hatte Fletcher ihr Aussehen verändert, während sie sich versteckt gehalten hatte. Gott sei Dank war sein anonymer Gönner so um ihn besorgt gewesen, dass er jemanden engagiert hatte, der die Freunde und ehemaligen Arbeitskollegen der FBI -Agentin überwachte. Ohne dieses Foto hätte Jesse Fletcher wahrscheinlich auf der Straße begegnen können, ohne sie überhaupt wiederzuerkennen.
Jetzt konnte ihm das nicht mehr passieren. Und sobald seine große Stunde schlug, gab es für sie kein Entkommen mehr.
Die Häuser in dem Stadtteil waren schon ziemlich alt und größtenteils von hochgewachsenen Bäumen und Sträuchern umgeben. Die Straßenlaternen warfen schummerige Lichtkegel; Jesse war recht zuversichtlich, dass sein Versteck ihn vor neugierigen Augen verbarg. Der Hinterhof, in dem er hockte, war ziemlich verwildert und passte nicht ganz in diese vornehme Gegend; im Vorgarten stand ein Zu-verkaufen-Schild. Mit einem Blick durchs Fenster hatte er sich vergewissert, dass das Haus leer stand. Ein perfektes Versteck, völlig abgeschieden und schwer einzusehen. Im Gegensatz zu Blackstones Haus, das er nun schon seit drei Stunden beobachtete.
Er hatte gesehen, wie die FBI -Agenten mit ihren dunkelblauen Anzügen und ihren Schlägerfressen angekommen waren. Diese Schweine. Als ob sie so viel besser wären als er. Schließlich waren sie auch nur Verbrecher, oder etwa nicht? Deckten eine Frau, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht hatte, und halfen ihr, ungestraft Leute zu ermorden. Anscheinend dachten sie, sie stünden über dem Gesetz.
Lily Fletcher war eine Mörderin – daran hatte er keinen Zweifel. Jesse zitterte, aber nicht wegen der kühlen Abendluft. Nein, er fror innerlich, und zwar seit er heute einen zweiten Anruf von seinem mysteriösen Freund erhalten hatte. In panischer Hast hatte dieser ihm mit seiner unnatürlich verzerrten Stimme in bellendem Tonfall erzählt, dass sich – unfassbarerweise – die Warnung von heute Morgen als berechtigt herausgestellt hatte. Jemand hatte diesen Will Miller, der Jesse ein Alibi geliefert hatte, am helllichten Tage erschossen. Feige von hinten. Der Lokalpresse zufolge war er vor den Augen seines Enkelsohns verblutet. Was für eine kranke Welt. Und sein anonymer Freund glaubte, dass Lily Fletcher dahintersteckte.
Für den Mord konnte es nur einen Grund geben – und zwar dass Miller ihn, Jesse, aus dem Gefängnis geholt hatte. Ein Zufall konnte das Ganze jedenfalls nicht sein. Und die Einzige, die wegen Jesses Freilassung zur Waffe greifen würde, war Fletcher.
»Psychoschlampe«, flüsterte er.
Offensichtlich hatte die FBI -Agentin den Verstand verloren. Nachdem sie Miller umgelegt hatte, würde sie als Nächstes mit Sicherheit auf ihn losgehen. Wen sonst sollte sie aufs Korn nehmen? Wie sein Wohltäter gesagt hatte, musste Jesse sie erwischen, bevor sie ihn erwischte.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Mist. In der ganzen Aufregung hatte er gar nicht daran gedacht, den zweiten Menschen zu warnen, der in den letzten Tagen so viel für ihn getan hatte. Er ließ den Blick rasch über den ruhig daliegenden Hof schweifen, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war. Dann wagte er, das Handy aus der Tasche zu ziehen. Er wählte die Nummer, die Ms Vincent ihm gegeben hatte, doch es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Jesse würde ganz bestimmt keine verdächtige Nachricht hinterlassen, nach dem Motto: »Sie sind in Gefahr, aber ich werde das Miststück kaltmachen, bevor sie einen von uns umlegt!« Also murmelte er bloß: »Hier spricht Jesse Boyd. Rufen Sie mich zurück, es ist wichtig«, und legte auf.
Bevor er das Handy wieder einstecken konnte, fing es an zu klingeln. Auf dem Display erschien jedoch nicht Ms Vincents Nummer – der Anrufer war unbekannt.
Jesse wusste, was das zu bedeuten hatte.
Er klappte den Deckel auf und flüsterte: »Jesse hier.«
»Geht es Ihnen gut?«, fragte die Automatenstimme.
»Ja, ja. Ich bin bei Blackstone.«
»Und?«
Missmutig nach dem langen Liegen auf dem kalten Boden nuschelte er: »Ist ziemlich ruhig hier. Vor einer Weile sind ein paar FBI -Agenten aufgetaucht und im Haus verschwunden. Ich komme nicht mal nah genug ran, um zu sehen, ob eine dunkelhaarige Frau drin ist, und schon gar nicht, ob es Fletcher ist.«
»Sie ist es«, sagte die Stimme. »Da bin ich mir ganz sicher.«
Das war Jesse auch. Er spürte es in jedem Knochen, dieses unheimliche Gefühl, dass jemand es auf ihn
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