Black CATS - Parrish, L: Black CATS
vielleicht sogar ohne von Albträumen gepeinigt zu werden.
»Lily!«
Ich komme, Laura.
»Lily?«
Ja. Hier. Es war nicht das erste Mal, dass sie Laura hörte. Schon vorhin, vor ihrer Flucht, waren Echos von Lauras Stimme in ihrem Kopf widergehallt.
»Ich hab dich vermisst«, flüsterte sie. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, um in das Antlitz ihrer geliebten Zwillingsschwester und des kleinen Jungen zu blicken, der ihnen beiden so viel bedeutet hatte. Aber sie waren nicht da. Über sich sah sie nichts als den dunklen Himmel und einen leuchtend weißen Mond, der vor dem Hintergrund schwarzer, unendlicher Leere schimmerte. Die Ewigkeit.
»Lily, wir sind hier!«
Laura? Nein. Eine Männerstimme.
Wyatt.
Dann war er bei ihr, hob sie hoch, hielt sie fest, schützte sie, wärmte sie. Flüsterte ihr leise, besänftigende Worte ins Haar, versuchte sie zu beruhigen. Sein attraktives Gesicht spiegelte heftige Emotionen; Zärtlichkeit lag in jeder Berührung, als er ihre Haut streichelte.
Unmöglich. Wyatt Blackstone hatte keine Gefühle. War nie zärtlich. Ihr Chef zeigte keine Schwäche.
»Wir haben Sie gefunden. Alles wird gut. Brandon ist unten am Strand. Wir bringen Sie von hier fort.«
Sie schluckte mühsam und versuchte, das alles zu verstehen. Seine Wärme, seinen Geruch, die raue Stimme.
»Wyatt?«, flüsterte sie und fing an, es zu glauben. »Sie haben mich gehört?«
Seine Schritte knirschten im Sand, fest hielt er sie im Arm. »Ja, ich habe Sie gehört. Es war unfassbar – wie eine Stimme aus dem Grab. Mein Gott, Lily, gestern haben wir Ihre Beerdigung abgehalten!«
Er ist wirklich hier. Die Stimme am anderen Ende der Leitung war echt gewesen, kein Produkt ihrer Einbildung. Tränen traten ihr in die Augen und froren an ihren Wangen fest, bevor sie ihr Gesicht hinablaufen konnten. »Sie haben mich gefunden.«
»Ja,wirhabenSiegefunden.SiesindinSicherheit.WirwerdendenKerlzufassenkriegen,underwirdIhnenniewiederwehtun.«
Das Blut, ohnehin schon kühl, gefror ihr in den Adern. Sie hatten ihn nicht gefasst. Hatten den Mann nicht festgenommen, der ihr das alles angetan hatte. Sie fing an zu zittern, zu wimmern, als sie an seine grausamen Hände dachte, an die Nadeln, mit denen er ihre Wunden genäht hatte, ohne Betäubungsmittel oder sonst etwas, das ihre Schmerzen gelindert hätte.
»Es ist noch nicht vorbei … « Nicht, solange dieser Psychopath, der sie gefangen gehalten hatte, frei herumlief. Sie konnte nicht einmal etwas zu den Ermittlungen beitragen – bis zum Augenblick ihrer Flucht waren ihr die Augen verbunden gewesen. Sie hatte nicht einen Blick auf den Mann werfen können, kannte nur seine Stimme. Und die hasserfüllte, brutale Berührung seiner Hände, die ihr unzählige Lektionen in Sachen Schmerz erteilt hatten.
Sie wurde von schrecklicher Furcht erfasst und zitterte am ganzen Körper.
»Schsch, doch, es ist vorbei. Wir fahren Sie ins Krankenhaus, und bevor Sie es sich versehen, sind Sie wieder zu Hause.«
Zu Hause? In ihrer kleinen, traurigen Wohnung, wo sie ihr kleines, trauriges Leben führte? In den vier Wänden, von denen die Stimmen all derer widerhallten, die sie verloren hatte? Wo sie eingesperrt wäre, während sie sich vor dem Verrückten verbarg, der nichts unversucht lassen würde, um sie erneut in die Finger zu bekommen?
Nein. Zu Hause war sie auch nicht in Sicherheit. Sie würde nirgends sicher sein. Es gab nie genügend Sicherheitsvorkehrungen, genügend Wachmänner. Sie würde nie wieder zu ihrem normalen Leben zurückkehren können, würde sich nicht zeigen, nicht im Licht leben dürfen. Nicht, solange dieses Ungeheuer auf freiem Fuß war.
Sie musste im Schutz der Dunkelheit bleiben. Lily musste verschwinden.
Unsichtbar werden.
»Wyatt«, flüsterte sie, »bitte … «
»Ja?«
»Bitte, lassen Sie mich tot bleiben.«
Bitte, lassen Sie mich tot bleiben.
Der Albtraum begann von vorn.
Obwohl er einmal Alkoholiker gewesen war, hatte Will Miller sich selbst immer für einen ehrlichen Mann gehalten. Er hatte nie etwas gestohlen, nie jemanden verletzt. Gelogen hatte er immer nur über sein kleines Problem mit der Flasche, um seiner Exfrau und den Kindern nicht wehzutun. Er hatte es geschafft, seinen Job zu behalten, wurde respektiert und gemocht – bis zu dem Tag, als alles den Bach runtergegangen war.
Darauf war er immer stolz gewesen – dass er ein guter Mann war. Schwach zwar, aber immerhin gut. Und genau das wollte er wieder sein. Nachdem er mehrere Jahre im
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