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Black CATS - Parrish, L: Black CATS

Black CATS - Parrish, L: Black CATS

Titel: Black CATS - Parrish, L: Black CATS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Parrish
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Pulsadern.
    Solche Bilder konnten einen Menschen ein Leben lang quälen, konnten ihn geradewegs in den Wahnsinn treiben. Oder in ihm das Bedürfnis nach völliger Selbstbeherrschung und Emotionslosigkeit wecken.
    Aber vielleicht ging es in ihren Träumen nicht nur um den schrecklichen Verlust ihrer Angehörigen. Womöglich handelten sie auch von jener Woche, die sie mit verbundenen Augen in einer alten Hütte verbracht hatte. Als sie gelernt hatte, was Folter war.
    Welchen Traum träumst du gerade?
    Wieder ein Schrei. Wyatt stand auf, durchquerte leise das Zimmer, widerstand aber dem Drang, in den Flur zu gehen, zu ihrer Tür.
    Inzwischen tat er das nicht mehr.
    Als Lily noch schwach und hilflos gewesen war, sich kaum von ihren Wunden erholt hatte, hatte er lediglich freundschaftliche Gefühle empfunden, wie ein Pfleger, der sich um ein Kind kümmert. Aber sie war nicht mehr verwundet, nicht mehr schwach oder hilflos. Und einem Kind ähnelte sie schon gar nicht. Das hatte er sich eines Nachts im Juli eingestanden, als er zu ihr gegangen war – mit dem Ergebnis, dass sie aufgewacht war und ihn vom Bett aus angestarrt hatte. Der Vollmond und der Schein der Außenbeleuchtung hatten ihr Zimmer erhellt. Das Licht hatte gerade ausgereicht, dass er ihr vorgerecktes Kinn hatte erkennen können, den Hauch zorniger Entschlossenheit in ihrem Gesichtsausdruck, während sie langsam die Beherrschung wiedergewonnen hatte.
    Ganz zu schweigen von der Röte ihrer Wangen, den vollen Lippen, durch die sie keuchend ein- und ausatmete. Oder dem hauchdünnen Nachthemd, das sich eng an ihren Körper schmiegte.
    Ihre Blicke waren sich begegnet. Lilys Atem hatte sich beruhigt. Seiner hatte sich beschleunigt. Keiner von ihnen hatte auch nur ein Wort gesprochen, aber was sie gedacht hatten, war umso eindeutiger gewesen.
    Während dieses langen, intensiven Augenblicks hatte er in Lily nicht länger das Mädchen gesehen, das er mochte und umsorgte. Stattdessen hatte er sie zum ersten Mal als die Frau wahrgenommen, die sie jetzt war. Stark. Unbändig. Wunderschön.
    Es war, als sei er ihr noch nie zuvor begegnet.
    Er hatte sie begehrt. Ganz plötzlich und unerwartet. Gott steh ihm bei, er hatte sie berühren wollen, hatte ihr Lust bereiten und ihr eine Nacht voller hitziger Leidenschaft schenken wollen, die die Kälte ihrer Träume verdrängte.
    Aber das war unmöglich gewesen. Lily zu begehren war beinahe genauso indiskutabel, wie tatsächlich etwas mit ihr anzufangen. Er war ihr Beschützer, ihr ehemaliger Chef. Sie war zehn Jahre jünger als er und vertraute darauf, dass er den Abstand wahrte.
    Das alles hatte er sich immer wieder in Erinnerung gerufen. Dennoch, seit jener Nacht hatte sich ihm Lilys Bild aufgedrängt, wann immer er auch nur an eine andere Frau gedacht hatte.
    Daher also: nein. Er ging nicht mehr in ihr Zimmer, wenn sie im Schlaf aufschrie. Lily hatte ausdrücklich betont, dass sie stark genug sei, um auf sich selbst aufzupassen, und nicht mehr umsorgt werden musste. Wahrscheinlich dachte sie, er würde sie einfach beim Wort nehmen.
    Aber es war nicht ihre Stärke, an der er zweifelte. Sondern seine eigene.
    Offen gestanden begann er auch an seinem Verstand zu zweifeln. War er wirklich im Begriff, sie wegen der Lilien-Morde zu verdächtigen?
    »Das ist verrückt«, flüsterte er. Sämtliche Vermutungen, die ihn an diesem Wochenende zu ihr getrieben hatten, hatten sich bei ihrem Anblick in lächerliche Spekulationen verwandelt.
    Aber er hatte dennoch einen Job zu erledigen. Und Lily Fletcher aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen, stand ganz oben auf seiner Liste.
    Sie in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen, wollte er eigentlich gar nicht erst in Erwägung ziehen.
    Er hörte eine Bewegung und beugte sich auf die Tür zu, hielt sogar den Atem an. Lilys Schlafzimmertür öffnete sich. Mit festen Schritten trat sie in den Flur, als sei sie wutentbrannt aus dem Bett gesprungen. Aber ihre Schritte gerieten ins Stocken, als sie sich seiner Tür näherte.
    Wyatt schloss die Augen und legte die flache Hand mit gespreizten Fingern auf die Tür.
    Würde sie anklopfen? Würde er ihr öffnen?
    Noch ein Augenblick verstrich. Sie ging weiter.
    Ohne genau zu wissen, ob er erleichtert oder enttäuscht war, blieb er einfach stehen und wartete auf ihre Rückkehr. Wahrscheinlich war sie nach unten gegangen, um einen Schluck Wasser zu trinken oder vielleicht eine Schlaftablette zu nehmen. Aber die Minuten vergingen, und sie kam nicht

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