Black CATS - Parrish, L: Black CATS
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Er stellte lieber den Kindern anderer Leute nach.
Lily kannte den Rest der Geschichte in jener Nacht, bis zu dem Augenblick, als sein Arm in der offenen Lieferwagentür erschienen war und er auf sie geschossen hatte. Dann wurde es dunkel, bis zum nächsten Tag, als sie in der Strandhütte aufgewacht war und sein zorniges Geflüster gehört hatte, was sie ihn alles gekostet hatte und wie er sie dafür büßen lassen würde.
Warum hast du mich dann hierhergebracht? Warum hast du mich nicht schon längst getötet?
Auch wenn sie sich bisher nicht daran hatte erinnern können, wusste sie jetzt, dass sie ihm genau diese Fragen gestellt hatte.
Sie erinnerte sich auch an seine Erwiderung. Der Tod ist zu gut für dich.
Mit dieser Antwort hatte er sie dann mindestens einen Tag lang sich selbst überlassen, benommen, blutbesudelt und mit unerträglichen Schmerzen.
»Na, kannst du noch?«, fragte Jackie.
»Mir geht’s gut, ehrlich.«
Jackie stellte ein Tablett mit Sandwichs auf dem Tisch ab und strich ihr mit der Hand übers Haar, bevor sie sich setzte – als müsste sie Lily die ganze Zeit berühren, um sich zu vergewissern, dass sie nicht nur eine Geistererscheinung war. »Für einen Junggesellen hat Wyatt eine ziemlich beeindruckende Küche.«
»Eigentlich wird sie nur von seiner Haushälterin benutzt«, sagte Lily. »Obwohl er gar kein schlechter Koch ist.« Jedenfalls ein besserer als sie selbst.
Jackie nahm sich ein Sandwich. Sie waren als spätes Mittagessen gedacht, denn vor lauter Arbeit hatten sie völlig vergessen zu essen. »Ihr zwei habt euch bestimmt etwas näher kennengelernt, als du so lange bei ihm gewohnt hast, oder?«
Lily hörte den auffällig unschuldigen Tonfall und warf ihrer Freundin unwillkürlich einen Blick zu. Jackies Gesichtsausdruck wirkte ebenso unschuldig. Viel zu unschuldig. »Die meiste Zeit war er ja gar nicht da«, erwiderte Lily.
»Tatsächlich? Ich meine mich zu erinnern, dass er sich dieses Jahr ganz schön viel Urlaub genommen hat. Nicht gerade typisch für ihn, dachte ich damals. Wahrscheinlich hat er mit den ständigen Trips nach Maine einiges an Vielfliegermeilen gesammelt, und das hat er bestimmt nicht des Wetters wegen gemacht. Vor allem nicht im März, da war er ja fast den ganzen Monat weg.«
Im März, als Lily ins Strandhaus gezogen war, hatten heftige Stürme getobt. Sie war gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden und in ihrer Schwäche völlig auf Wyatt angewiesen. Dennoch hatte ihr das Wetter zu ihrem eigenen Erstaunen gefallen. Sie hatte sich warm eingemummelt, dem Wind gelauscht, der über die Wellen gepeitscht war, und den sandigen Wirbelstürmen zugeschaut, die den Strand entlangfegten. Drinnen im Haus hatte sie sich durch den Sturm sicher gefühlt. Sie konnten zwar nicht hinausgehen. Aber es konnte auch niemand hereinkommen.
»Also, ich will ja nicht neugierig sein«, fing Jackie noch einmal an, »aber läuft da was?«
Lily tat, als hätte sie nicht verstanden. »Läuft wo was? In Maine?«
»Hah. Ich meine, zwischen dir und Wyatt? Ich hab da so ein gewisses Knistern bemerkt.«
Lily kannte Jackie gut genug, um zu wissen, dass sie sich nicht mit irgendeiner halbgaren Antwort abspeisen lassen würde. Also gab sie so viel zu, wie sie mit ihrem Gewissen vereinen konnte. »Stimmt schon, es knistert. Ich habe bloß keine Ahnung, was daraus werden soll.«
Jackie biss eine Ecke ihres Sandwichs ab und kaute nachdenklich. Schließlich sagte sie: »Es ist wohl ziemlich normal, dass man jemandem dankbar ist, der so viel für einen getan hat.«
»Das hat nichts mit Dankbarkeit zu tun, Jackie.« Das wollte Lily klarstellen. »Es geht wohl eher darum, dass ich endlich weiß, wer ich bin – und für den Rest meines Lebens sein werde. Und darum, dass ich weiß, dass er mich mag.«
»Also keine Heldenverehrung mehr?«
Lily lachte kurz auf und fragte: »War es so offensichtlich?«
»Vielleicht nur in meinen Augen.«
»Nein. Keine Heldenverehrung mehr, auch wenn er jetzt wirklich mein Held ist. Aber ich bin nicht mehr das schüchterne kleine Naivchen.«
Jackie prustete los. »Ich habe schon gemerkt, dass dir gar nichts mehr aus den Händen fällt, wenn er dich anspricht.«
Gott, das schien Ewigkeiten her zu sein.
Gerade wollte sie etwas sagen, da hörte sie ein gedämpftes Geräusch von der Steinmauer her, die den Innenhof umgab. Jackie hatte es auch gehört. Sie verstummten und schauten in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen
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