Black Coffee
hier ist eine tolle Platte, die habe ich neulich aus der Stadt mitgebracht.« Und schon sang sie, begleitet von zuckenden Tanzbewegungen: »› Ikey – oh, crikey – what have you got on? ‹ Oder was hätten wir noch?«
»Doch nicht so einen vulgären Schlager, Barbara«, bat Miss Amory inständig. Sie ging selbst an den Grammophontisch. »Wir haben doch hier viel schönere Platten.
Wenn es schon etwas Volkstümliches sein soll, dann doch lieber diese wunderschönen Lieder von John McCormack. Oder wie wär's mit Holy City? . – Ich weiß gar nicht mehr, wie die Sängerin heißt. Oder warum nicht diese schöne Melba-Platte? Oh, und – ja, hier ist doch das Largo von Händel.«
»Na hör mal, Tante Caroline. Das Largo von Händel ist nun nicht gerade zum Aufmuntern geeignet«, protestierte Barbara. »Hier wäre noch etwas italienische Oper, wenn es schon Klassik sein muß. Dr. Carelli, kommen Sie, das dürfte Ihr Metier sein. Wählen Sie etwas Schönes für uns aus.«
Carelli ging zu den beiden an den Grammophontisch, und sie wühlten zu dritt in dem Schallplattenstapel.
Richard Amory schien ganz in seine Zeitschrift vertieft.
Währenddessen war Lucia aufgestanden und scheinbar ohne bestimmte Absicht zu dem runden Tisch geschlendert, wo sie nachdenklich den Arzneikasten betrachtete. Vorsichtig um sich spähend, ob niemand sie beobachtete, nahm sie eines der Röhrchen heraus und las halblaut: »Hyoscin-Hydrobromid.« Dann öffnete sie das Röhrchen und schüttete sich fast den ganzen Inhalt in die Hand. Sie bemerkte nicht, daß die Tür zu Sir Clauds Arbeitszimmer aufging und Edward Raynor herauskam, bevor sie das Röhrchen wieder in den Kasten legte und zum Couchtisch zurückging.
Plötzlich rief Sir Claud etwas aus dem Arbeitszimmer.
Was er rief, war nicht zu verstehen, aber Raynor drehte sich gehorsam um und antwortete: »Ja, natürlich, Sir Claud, ich bringe Ihnen sofort Ihren Kaffee.«
Er wollte zum Couchtisch gehen, aber Sir Claud rief ihn wieder zurück. »Und was ist mit diesem Brief an die Firma Marshall?«
»Der ist mit der Nachmittagspost hinausgegangen, Sir Claud«, antwortete der Sekretär.
»Aber ich habe Ihnen doch gesagt, Raynor – Mann, kommen Sie doch wieder her«, dröhnte Sir Claud.
»Entschuldigung, Sir.«, hörte man Raynor in der Tür sagen, bevor er das Arbeitszimmer wieder betrat. Lucia, die den Sekretär die ganze Zeit über im Auge behalten hatte, stellte sich jetzt so, daß sie Richard den Rücken zuwandte, und ließ alle Tabletten, die sie in der Hand hatte, in eine der Kaffeetassen fallen. Dann ging sie um den Couchtisch herum und setzte sich wieder aufs Sofa.
Plötzlich plärrte das Grammophon mit einem schnellen Foxtrott los. Richard Amory legte seine Zeitschrift hin, trank rasch seinen restlichen Kaffee, stellte die Tasse auf den runden Tisch und ging zu seiner Frau. »Ich nehme dich beim Wort«, sagte er. »Ich habe mich entschlossen. Wir gehen zusammen weg.«
Lucia sah überrascht zu ihm auf. »Richard«, sagte sie mit matter Stimme, »ist das wirklich dein Ernst? Wir können fort? Aber hast du nicht gesagt – was ist mit – woher sollen wir das Geld nehmen?«
»Man kommt immer irgendwie an Geld«, antwortete Richard mit finster entschlossener Miene.
Lucia klang ängstlich, als sie fragte: »Wie meinst du das?«
»Ich meine«, sagte Richard, »daß ein Mann, dem seine Frau soviel bedeutet wie du mir, eben alles zu tun bereit ist. Alles!«
»Ich finde es nicht sehr schmeichelhaft für mich, was du da sagst«, erwiderte Lucia. »Es heißt doch nur, daß du mir noch immer nicht vertraust – du glaubst meine Liebe kaufen zu –«
Sie unterbrach sich und drehte sich um, denn soeben ging die Tür des Arbeitszimmers auf, und Edward Raynor kam wieder herein. Er ging an den Couchtisch und nahm eine Tasse Kaffee, während Lucia ans Ende des Sofas rückte. Richard war verdrossen zum Kamin gegangen und starrte in die kalte Asche.
Dort erspähte ihn Barbara, die für sich allein zu tanzen begonnen hatte. Sie überlegte wohl kurz, ob sie ihren Vetter zum Tanzen auffordern sollte, aber offenbar hielt seine steinerne Miene sie davon ab, und sie wandte sich statt dessen an Raynor. »Wie wär's mit einem Tänzchen, Mr. Raynor?«
»Aber gern, Miss Amory«, antwortete der Sekretär.
»Einen kleinen Moment nur, ich bringe Sir Claud noch schnell seinen Kaffee.«
Plötzlich sprang Lucia auf. »Halt, Mr. Raynor«, rief sie, »das ist nicht Sir Clauds Kaffee. Sie haben die
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