Black Coffee
seiner annahm.
»... und habe mir erlaubt, Sir, dem Herrn zu versprechen, daß Sie seinen Anruf noch heute morgen erwidern werden«, hörte er George gerade sagen.
»Ich bitte um Vergebung, mein lieber George«, erwiderte Poirot, »aber ich war mit den Gedanken woanders. Jemand hat angerufen, sagen Sie?«
»Ja, Sir, gestern abend, während Sie mit Mrs. Oliver im Theater waren. Als Sie wieder nach Hause kamen, war ich schon im Bett, und ich hatte es nicht für nötig gehalten, Ihnen um diese späte Stunde noch eine Nachricht zu hinterlegen.«
»Wer war der Anrufer?«
»Der Herr hat sich als Sir Claud Amory vorgestellt. Er hat seine Telefonnummer angegeben, aus der hervorgeht, daß er irgendwo in Surrey wohnen muß. Er sagt, es handle sich um eine delikate Angelegenheit, und wenn Sie ihn anrufen, möchten Sie bitte niemandem Ihren Namen nennen, sondern unbedingt Sir Claud persönlich verlangen.«
»Danke, George. Legen Sie mir die Telefonnummer auf den Schreibtisch«, sagte Poirot. »Ich werde Sir Claud anrufen, sobald ich die heutige Times durchgesehen habe. Es ist zum Telefonieren noch ein wenig früh am Morgen, selbst in delikaten Angelegenheiten.«
George zog sich mit einer Verbeugung zurück, und Poirot trank langsam seine Schokolade, um sich danach mit der Morgenzeitung auf den Balkon zu begeben.
Schon nach wenigen Minuten war die Times beiseite gelegt. Die Weltnachrichten waren wie immer bedrükkend. Dieser gräßliche Hitler hatte die deutschen Gerichte zu Filialen der Nazi-Partei gemacht; in Bulgarien hatten die Faschisten die Macht ergriffen; und was am schlimmsten war, in Poirots belgischer Heimat waren bei einem Grubenunglück bei Mons vermudich zweiundvierzig Bergleute ums Leben gekommen. Die Inlandnachrichten waren kaum besser. Trotz der von Funktionären geäußerten Vorbehalte sollten die Teilnehmerinnen am diesjährigen Wimbledon-Turnier kurze Hosen tragen dürfen. Selbst die Todesanzeigen spendeten wenig Trost, denn Leute in Poirots Alter oder jünger schienen nichts Besseres im Sinn zu haben, als zu sterben.
Nachdem Poirot also die Zeitungslektüre aufgegeben hatte, machte er es sich in seinem Korbsessel bequem und legte die Füße auf einen kleinen Hocker. Sir Claud Amory, dachte er bei sich. Kam ihm der Name nicht irgendwie bekannt vor? Er mußte ihn schon einmal gehört haben. Doch, dieser Sir Claud war auf irgendeinem Gebiet ein bekannter Mann. Aber was war er?
Politiker? Anwalt? Ein pensionierter Staatsbeamter? Sir Claud Amory. Amory...
Der Balkon lag in der Morgensonne, und Poirot fand sie warm genug, um ein Weilchen darin zu baden. Bald würde sie ihm aber zu warm werden, denn er war kein Sonnenanbeter. Wenn mich die Sonne wieder ins Haus treibt, dachte er, werde ich mich der Mühe unterziehen und im Who's Who nachschlagen. Ist dieser Sir Claud ein Herr von Ansehen, so wird er bestimmt in diesem wunderbaren Buch stehen. Wenn nicht... Der kleine Detektiv zuckte vielsagend mit den Schultern. Als unverbesserlicher Snob fühlte er sich schon des Titels wegen für Sir Claud eingenommen. Wenn der Mann im Who's Who stand, dem Buch, in dem auch Poirots Werdegang in allen Einzelheiten nachzulesen war, dann mochte dieser Sir Claud vielleicht sogar legitimen Anspruch auf seine, Poirots, Zeit und Aufmerksamkeit erheben.
Zunehmende Neugier und ein plötzlich aufkommendes kühles Windchen trieben Poirot mit vereinten Kräften nach drinnen. Er ging in seine Bibliothek und dort sogleich an ein Regal mit Nachschlagewerken, von dem er einen dicken roten Band herunternahm, auf dessen Rücken ein goldgeprägtes Who's Who stand. Blätternd kam er an den gesuchten Eintrag und las laut:
AMORY, Sir Claud (Herbert); gead. 1927; geb. 24.Nov. 1878; verehel. 1907 m. Helen Graham (verst. 1929); Ausb: Gymn. Weymouth; Kings College, London; Physiker, GEC-Labor 1905; RAE Farn-borough (Rundf.-Abt.) 1916; Forschungsamt d. Luftfahrtmin. Swanage 1921; demonstrierte 1924 neues Prinzip der Teilchenbeschleunigung: Wanderfeld-Linearbeschleunigung; Auszeichn: Monroe-Med. d. Phys, Ges.; Publ: Aufs. in wiss. Zeitschr.; Adr: Abbot's Cleve, Post Market Cleve, Surrey; Tel: Market Cleve 304; Club: Athenaeum.
Ach ja, richtig, sinnierte Poirot. Der große Naturwissenschaftler. Er erinnerte sich jetzt an ein Gespräch, das er vor einigen Monaten mit einem Mitglied der Regierung Seiner Majestät gefuhrt hatte, nachdem er ein paar verschwundene Dokumente wiederbeschafft hatte, deren Inhalt für die Regierung hätte
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