Black Coffee
Klingt nicht besonders gefährlich, nein? Aber ich versichere Ihnen, Sie brauchten nur die Hälfte von den kleinen weißen Tabletten zu schlucken, die hier drin sind, und...« Er vollführte eine sprechende Geste.
»Sie hätten keinerlei Schmerzen. Sie würden nur sehr schnell in einen vollkommen traumlosen Schlaf sinken, einen Schlaf jedoch, aus dem es kein Erwachen gäbe.«
Er ging auf Lucia zu und streckte ihr das Röhrchen entgegen, als sollte sie es sich sehr genau ansehen. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, nicht aber in seinen Augen.
Lucia starrte das Röhrchen an, als wäre sie davon völlig fasziniert. Sie streckte die Hand danach aus und sagte in einem Ton, der wie hypnotisiert klang: »Ein schneller und vollkommen traumloser Schlaf...« Sie wollte das Röhrchen nehmen.
Dr. Carelli gab es ihr aber nicht, sondern blickte wie fragend zu Caroline Amory hinüber, die sichtlich schauderte und gequält das Gesicht verzog, aber nichts sagte. Achselzuckend wandte Carelli sich von Lucia ab, das Röhrchen mit dem Hyoscin-Hydrobromid noch immer in der Hand.
Soeben ging die Dielentür auf, und Richard Amory kam herein. Wortlos ging er zum Schreibtisch und setzte sich auf den Bürostuhl. Gleich nach ihm kam Treadwell mit einem Tablett herein, auf dem eine Kaffeekanne, Tassen und Untertassen standen. Er stellte das Tablett auf den Couchtisch und ging wieder.
Lucia auf dem Sofa beugte sich vor und begann Kaffee einzuschenken.
Barbara holte zwei volle Tassen und ging damit zu Richard, gab ihm eine und behielt die andere für sich selbst. Derweil stand Dr. Carelli noch bei dem großen Tisch in der Zimmermitte, damit beschäftigt, die Arzneimittelröhrchen wieder in den Blechkasten zu tun.
»Also wissen Sie, Doktor«, sprach Miss Amory ihn an,
»Sie haben mir mit diesem Gerede von einem schnellen, traumlosen Schlaf und qualvollen Tod eine richtige Gänsehaut gemacht. Als Italiener verstehen Sie sicher viel von Giften?«
»Aber Verehrteste«, lachte Carelli, »ist das nicht ein ausgesprochen ungerechtes – wie sagt man hier dazu – ein non sequitur , ein unzulässiger Schluß? Warum soll ein Italiener mehr von Gift verstehen als ein Engländer?
Dabei habe ich mir sagen lassen«, fuhr er gutgelaunt fort, »daß Gift eher eine Waffe der Frau als des Mannes sei. Vielleicht sollte ich also Sie fragen –? Ach so, Sie haben womöglich an eine Frau gedacht, eine Italie-nerin? Wollten Sie etwa gerade eine gewisse Lucrezia Borgia erwähnen?« Er ging zum Couchtisch, ließ sich von Lucia eine Tasse Kaffee geben und brachte sie Miss Amory, dann holte er auch eine für sich selbst.
»Lucrezia Borgia – diese gräßliche Person! Ja, an die werde ich wohl gedacht haben«, räumte Miss Amory ein. »Als Kind habe ich immer schlecht von ihr geträumt. Ich stellte sie mir ganz blaß vor, aber groß und mit so rabenschwarzem Haar wie unsere liebe Lucia.«
Dr. Carelli brachte das Zuckerschälchen zu Miss Amory, doch da sie dankend den Kopf schüttelte, stellte er es aufs Tablett zurück. Richard Amory setzte seine Tasse ab, nahm sich eine Zeitschrift vom Schreibtisch und begann darin zu blättern, während Miss Amory weiter über die Borgia redete. »Ja, das waren schreckliche Alpträume«, erzählte sie. »Ich war das einzige Kind in einem Zimmer voller Erwachsener, die alle aus kostbaren Bechern tranken. Da kam diese bezaubernd schöne Frau – wenn ich jetzt daran denke, sah sie dir erstaunlich ähnlich, liebe Lucia – also, sie kam zu mir und zwang mich, auch so einen Becher zu nehmen. Ich sah eigentlich schon an ihrem Lächeln, daß ich lieber nicht daraus trinken sollte, wußte aber zugleich, daß ich mich nicht dagegen wehren konnte, weil sie mich irgendwie zum Trinken hypnotisierte, und dann fühlte ich so ein Brennen im Hals und mußte nach Luft ringen. Danach bin ich natürlich aufgewacht.«
Dr. Carelli, der sich inzwischen Lucia genähert hatte, wandte sich jetzt mit einer demutsvollen Verbeugung an sie und rief: »Liebste Lucrezia Borgia, habt Erbarmen mit uns!«
Lucia ging nicht darauf ein; sie schien Carelli gar nicht gehört zu haben. Die Unterhaltung stockte. Lächelnd wandte Carelli sich wieder von Lucia ab, trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse auf den großen Tisch.
Barbara trank ebenfalls rasch ihren Kaffee aus, dann glaubte sie etwas für die Stimmung tun zu müssen.
»Wie wär's mit ein paar Takten Musik?« meinte sie, schon auf dem Weg zum Grammophon. »Na, was legen wir denn mal auf? Das
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