Black Dagger 01 - Nachtjagd
»Herr – «
»Wenn du etwas von mir willst, fang lieber nicht so an«, unterbrach ihn Wrath seelenruhig. Er spürte, dass sich eine Kellnerin näherte. Eine Ahnung von großen Brüsten und ein Streifen nacktes Fleisch zwischen dem engen Shirt und dem kurzen Rock streifte ihn.
»Darf’s was zu trinken sein?«, fragte sie einladend.
Er war kurz in Versuchung, sie auf den Tisch zu legen und sich über ihre Halsschlagader herzumachen. Menschliches
Blut hielt bei ihm zwar nicht besonders lange vor, aber es schmeckte verflucht noch mal besser als verdünnter Alkohol.
»Im Moment nicht«, sagte er. Sein schmales Lächeln machte sie gleichzeitig nervös und sandte ihr einen lustvollen Schauer über den Körper. Er atmete ihren Duft tief ein.
Kein Interesse, dachte er.
Die Kellnerin nickte, rührte sich aber nicht vom Fleck. Immer noch starrte sie ihn unverwandt an, das kurze blonde Haar leuchtete in der Dunkelheit wie ein Halo um ihr Gesicht. Wie gebannt schien sie nicht nur ihren Job, sondern auch ihren eigenen Namen vergessen zu haben.
Wie unglaublich nervig.
Darius verlagerte ungeduldig sein Gewicht auf dem Stuhl.
»Das wär’s dann«, murmelte er. »Wir sind wunschlos glücklich.«
Als sie sich in die Menge zurückzog, hörte Wrath wie Darius sich räusperte. »Danke, dass du gekommen bist.«
»Das hast du schon gesagt.«
»Klar. Richtig. Also, du und ich, wir kennen uns schon eine ganze Weile.«
»Stimmt.«
»Wir haben ein paar verdammt gute Kämpfe zusammen ausgetragen. Eine ganze Menge Lesser ausgeschaltet.«
Wrath nickte. Die Bruderschaft der Black Dagger beschützte ihre Rasse seit Generationen vor der Gesellschaft der Lesser. Darius. Tohrment. Die vier anderen. Gegenüber den Lessern – seelenlosen Menschen, die einem bösartigen Meister namens Omega dienten – waren die Brüder deutlich in der Unterzahl. Doch Wrath und seine Krieger schafften es, sich dennoch zu behaupten.
Und weit mehr als das.
Darius räusperte sich erneut. »Nach all den Jahren – «
»D, fass dich kurz. Marissa muss heute Nacht noch etwas erledigen.«
»Willst du wieder dein Zimmer bei mir benutzen? Du weißt, dass ich sonst niemanden da reinlasse.« Darius lachte verlegen. »Ihrem Bruder wäre es bestimmt lieber, wenn du nicht bei ihm auftauchst.«
Wrath verschränkte die Arme vor der Brust und schob den Tisch mit seinem Stiefel etwas weg, um sich mehr Platz zu verschaffen.
Es war ihm scheißegal, ob Marissas Bruder irgendwelche Abneigungen pflegte oder Wraths Art zu leben ablehnte. Havers war ein Snob und ein vollkommen unfähiger Dilettant. Er kapierte einfach nicht, was für Feinde ihre Rasse hatte, und was es bedeutete, die Vampire gegen sie zu verteidigen.
Und nur, weil es diesem Jüngelchen nicht passte, würde Wrath ganz bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie Zivilisten abgeschlachtet wurden. Er gehörte aufs Schlachtfeld, zu seinen Kriegern, nicht auf irgendeinen albernen Thron. Havers Ansichten dazu interessierten ihn nicht.
Trotzdem sollte Marissa sich nicht mit den arroganten Anwandlungen ihres Bruders herumschlagen müssen.
»Vielleicht komme ich auf dein Angebot zurück.«
»Gut.«
»Und jetzt spuck’s aus.«
»Ich habe eine Tochter.«
Wrath drehte langsam den Kopf. »Seit wann?«
»Schon eine ganze Weile.«
»Wer ist die Mutter?«
»Kennst du nicht. Und sie … sie ist tot.«
Darius’ Kummer umwölkte ihn, der beißende Geruch von altem Schmerz schnitt durch den Odeur von menschlichem Schweiß, Alkohol und Sex um sie herum.
»Wie alt ist sie?«, wollte Wrath wissen. Er hatte so eine Ahnung, wohin das Gespräch führen würde.
»Fünfundzwanzig.«
Wrath fluchte unterdrückt. »Frag nicht, Darius. Bitte mich nicht darum.«
»Ich muss. Herr, dein Blut ist – «
»Wenn du mich noch einmal so nennst, sorge ich dafür, dass du an dem Wort erstickst.«
»Du verstehst nicht, sie ist – «
Wrath stand langsam auf. Darius’ Hand legte sich auf seinen Unterarm und wurde sofort wieder entfernt.
»Sie ist ein halber Mensch.«
»Herrgott – «
»Deshalb wird sie die Transition vielleicht nicht überleben, wenn es soweit kommen sollte. Aber wenn du ihr hilfst, hat sie eine Chance. Dein Blut ist so stark, dass es ihr durch die Wandlung helfen kann, obwohl sie ein Mischling ist. Ich bitte dich ja gar nicht, sie als Shellan zu nehmen. Oder sie zu beschützen. Das kann ich selbst. Ich versuche doch nur … Bitte. Meine Söhne sind tot. Sie ist vielleicht alles, was eines Tages von mir bleibt.
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