Black Dagger 06 - Dunkles Erwachen
ihrem wunderschönen Körper und ihrem Herzen und diesem Trugbild von Liebe, das in ihren Saphiraugen leuchtete. In der Falle … er saß in der Falle.
Völlig unvermittelt schwenkten seine Gedanken zu der Nacht, in der Phury ihn endlich aus der Sklaverei befreit hatte.
Als die Herrin wieder einmal mit einem anderen Mann aufgetaucht war, hatte der Sklave sich kaum darum gekümmert. Nach zehn Jahrzehnten machten ihm die Blicke anderer Männer nichts mehr aus, und die Vergewaltigungen und die Übergriffe hielten keine neuen Schrecken mehr für ihn bereit. Sein Dasein war eine gleichförmige Hölle, deren einzig wahre Qual in der Unendlichkeit seiner Gefangenschaft lag.
Doch dann hatte er etwas Merkwürdiges gespürt. Etwas … Ungewöhnliches. Er hatte den Kopf gedreht und den Fremden betrachtet. Sein erster Gedanke war, dass dieser Vampir riesengroß und außerdem kostspielig gekleidet war, weshalb er ein Krieger sein musste. Dann sah er, dass in den gelben Augen, die ihn anstarrten, eine erschütternde Traurigkeit lag. Wahrlich, der Fremde dort im Einlass war so bleich geworden, dass seine Haut schon wächsern aussah.
Als der Geruch der Salbe die Nase des Sklaven übermannte, blickte er wieder zur Decke. Das folgende Geschehen war ihm gleichgültig. Und doch – als seine Männlichkeit traktiert wurde, strömte eine Welle von Emotion durch den Raum. Wieder sah er den Vampir an, der am anderen Ende der Zelle stehen geblieben war. Der Sklave sah mit Verblüffung, dass der Krieger nach einem Dolch griff und die Herrin anblickte, als wollte er sie töten …
Da schwang die Türe auf, und einer der Höflinge sprach voller Furcht zu seiner Herrin. Plötzlich war die Zelle voller Wachen und Waffen und Wut. Die Herrin wurde von dem Mann an der Spitze der Gruppe grob gepackt und so fest geschlagen, dass sie gegen die Steinwand prallte. Dann stürzte sich der Mann auf den Sklaven und zog ein Messer. Der Sklave schrie, als er die Klinge auf sein Gesicht zusausen sah. Ein heißer Schmerz
durchschnitt seine Stirn, seine Nase, seine Wange; dann gab es nur noch Schwärze.
Als der Sklave wieder zu Bewusstsein kam, hing er an seinem Hals, das Gewicht seiner eigenen Arme und Beine würgte ihm das Leben aus dem Leib. Es war, als hätte sein Körper gewusst, dass sein letzter Atemzug nahe war, und hätte auf gut Glück seinen Geist aufgeweckt, um doch noch Hilfe zu erhalten. Ein trauriger Rettungsversuch, dachte er sich.
Gütige Jungfrau, sollte er nicht Schmerz empfinden? Auch fragte er sich, ob ihn jemand mit Wasser übergossen hatte, da seine Haut nass war. Dann wurde ihm bewusst, dass etwas Dickflüssiges in seine Augen tropfte. Blut. Er war über und über mit seinem eigenen Blut überströmt.
Und woher kam all der Lärm? Wurde gekämpft?
Keuchend hob er den Blick, und den Bruchteil einer Sekunde lang spürte er die Erstickung nicht mehr. Das Meer. Er blickte hinaus auf die Weite des Meeres. Für einen Augenblick stieg Freude in ihm auf … und dann verschwamm ihm alles vor Augen, weil er keine Luft bekam. Seine Lider flatterten, und er sackte zusammen; wenn er auch dankbar war, dass er das Meer noch einmal gesehen hatte, bevor er starb. Wie im Nebel sann er darüber nach, ob der Schleier wohl so sein würde wie der unendliche Horizont, ein grenzenloser Raum, unfassbar und gleichzeitig ein Zuhause.
Gerade als er ein schimmerndes weißes Licht vor sich sah, ließ der Druck an seinem Hals nach, und sein Körper wurde unsanft angefasst. Da waren Schreie und ruckartige Bewegungen, dann ein harter, holpriger Ritt, der ein jähes Ende nahm. Und während der gesamten Zeit war sein ganzer Körper voller Schmerz, er drang ihm bis ins Mark, hämmerte mit dumpfen Fäusten auf ihn ein.
Zwei Schüsse. Schmerzenslaute, die nicht seine waren. Und dann ein Schrei und ein Windstoß an seinem Rücken. Fallen … er war in der Luft, er fiel …
O mein Gott, das Meer. Entsetzen kroch in ihm hoch. Das Salz … Er spürte das harte Polster des Wassers nur einen Moment lang, bevor das Gefühl der See auf seiner wunden Haut seinen Geist überwältigte. Er verlor das Bewusstsein.
Als er das nächste Mal zu sich kam, war sein Körper nichts weiter als eine Hülle, die durch Schmerz zusammengehalten wurde. Schemenhaft bemerkte er, dass er auf der einen Seite eiskalt, auf der anderen mäßig warm war, und er bewegte sich, um zu sehen, ob er das konnte. Sofort fühlte er die Wärme neben sich ebenfalls in Regung geraten … Er wurde umarmt.
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