Black Dagger 06 - Dunkles Erwachen
Aber hört mir zu: Ich bezweifle nicht seine Kraft oder seinen Mut. Ich sorge mich um ihn, weil …«
Sag es ihnen, dachte sie. Sicher würden sie verstehen.
»Weil ich ihn liebe.«
Unvermittelt ließ die Spannung im Raum nach. Zumindest der Großteil der Spannung. Phury wandte sich ab, ging zum Kamin und lehnte sich an den Sims. Sein Kopf sank nach unten, als wäre er gern in die Flammen gekrochen.
»Ich bin froh, dass du so empfindest«, sagte Wrath. »Er braucht das. Und jetzt such ihn und entschuldige dich.«
Auf dem Weg hinaus, stellte sich ihr Tohrment in den Weg und sah ihr ruhig in die Augen. »Und versuch, ihn zu nähren, wenn du schon dabei bist, okay?«
»Ich bete darum, dass er mich lässt.«
13
Rehvenge schlich im Haus herum, von Raum zu Raum, ruhelos. Sein Sichtfeld war rot, seine Sinne hellwach, den Stock hatte er vor Stunden weggelegt. Jetzt fror er nicht mehr, wie sonst immer; den Rollkragenpullover hatte er abgestreift und trug die Waffen nun auf der bloßen Haut. Er konnte seinen gesamten Körper spüren, genoss die Kraft seiner Muskeln und Knochen. Und es gab noch mehr Gutes. Empfindungen, die er nicht mehr erfahren hatte seit …
Mein Gott, es musste zehn Jahre her sein, seit er sich zuletzt so hatte gehen lassen. Und da dies ein willentlicher, planmäßiger Rückfall in den Wahnsinn war, hatte er das Gefühl der Kontrolle – was vermutlich ein gefährlicher Irrtum war, aber das war ihm scheißegal. Er war … befreit. Und er wollte diesen Feind mit einer Verzweiflung bekämpfen, die einem sexuellen Verlangen gleichkam.
Was bedeutete, dass er außerdem höllisch frustriert war.
Er blickte aus einem der Fenster in der Bibliothek. Das vordere Tor hatte er weit offen stehen gelassen, um Besucher zu ermuntern. Nichts. Nada. Fehlanzeige.
Die Standuhr schlug zwölf Mal.
Er war sich so sicher gewesen, dass der Lesser auftauchen würde, aber niemand war durch das Tor, über die Auffahrt, zum Haus gekommen. Und den Überwachungskameras auf dem Gelände zufolge waren nur Autos vorbeigefahren, die in die Nachbarschaft gehörten: diverse Mercedes, ein Maybach, mehrere Lexus-SUVs, vier BMWs.
Verdammt. Er wollte diesen Vampirjäger so unbedingt in die Finger kriegen, dass er hätte schreien können; der Drang zu kämpfen, Vergeltung für seine Familie zu üben, sein Revier zu verteidigen, war unausweichlich: Seine Blutlinie reichte auf mütterlicher Seite zurück bis in die Kriegerelite, und die Aggressivität gehörte zu seinem Wesen; das war schon immer so gewesen. Addierte man zu seinem Wesenskern noch den Zorn über das, was seiner Schwester zugestoßen war, und die Tatsache, dass er seine Mahmen am helllichten Tag aus ihrem eigenen Haus hatte schaffen müssen, dann war er ein regelrechtes Pulverfass.
Er dachte an die Bruderschaft. Er wäre ein guter Kandidat dafür gewesen, wenn sie ihn vor seiner Transition rekrutiert hätten … Aber wer zum Teufel wusste heutzutage schon noch, was sie machten? Sie waren in den Untergrund gegangen, während die zivile Gesellschaft zerbröckelt war. Nun waren die Brüder ein geheimer Bund, der mehr sich selbst schützte als die Rasse, die sie zu verteidigen geschworen hatten.
Wenn sie sich mehr auf ihren Job als auf sich selbst konzentrieren würden, hätten sie Bellas Entführung vielleicht verhindern können. Oder sie schneller gefunden.
Wieder flammte seine Wut auf, und er wanderte ziellos durch das Haus, sah aus Fenstern und Türen, überprüfte Monitore. Schließlich befand er, dass die planlose Warterei Unsinn war. Er würde nur den Verstand verlieren, wenn er die ganze Nacht hierblieb, und er hatte Dinge in der Stadt zu erledigen. Wenn er die Alarmanlage aktivierte, und sie ausgelöst wurde, dann konnte er sich in einem Atemzug hierher dematerialisieren.
Als er in sein Zimmer kam, ging er zum Schrank und blieb kurz vor dem Tresor stehen. Ohne Medikamente zur Arbeit zu gehen, kam nicht infrage, selbst wenn das bedeutete, er müsste eine Waffe benutzen, statt dem Lesser mit bloßen Händen zu begegnen. Falls der Scheißkerl sich doch noch blicken lassen sollte.
Also nahm Rehv eine Ampulle Dopamin sowie Spritze und Aderpresse heraus. Während er die Spritze aufzog und den Gummischlauch um den Oberarm schlang, starrte er die klare Flüssigkeit an, die er sich gleich in die Vene pumpen würde. Havers hatte erwähnt, dass eine so hohe Dosis bei manchen Vampiren Paranoia als Nebenwirkung auslösen konnte. Und Rehv hatte die verschriebene Menge
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