Black Dagger 06 - Dunkles Erwachen
zwar dringend. Er war beinahe ausgetrocknet nach den
Stunden mit ihr, und sie wusste ganz genau, wie verzweifelt er sich nähren musste. Da so viel von seinem Blut in ihr floss, konnte sie seinen Hunger lebendig in sich spüren. Außerdem wusste sie exakt, wo im Haus er sich aufhielt. Sie musste nur ihren Sinnen folgen.
Bella folgte seinem Puls den Flur mit den Statuen hinunter, um die Ecke und auf die Flügeltür am Treppenabsatz zu. Wütende männliche Stimmen drangen durch die Tür, und Zsadists war eine davon.
»Du gehst heute Nacht nirgendwohin«, rief jemand.
Zsadists Stimme klang regelrecht böse. »Kommandier mich bloß nicht rum, Tohr. Das kotzt mich an, und ist außerdem auch reine Zeitverschwendung.«
»Sieh dich doch an … du bist ein verdammtes Skelett! Wenn du dich nicht vorher nährst, bleibst du hier.«
Bella trat genau dann ins Zimmer, als Zsadist sagte: »Versuch doch, mich hier festzuhalten, Bruder, dann wirst du schon sehen, wohin dich das führt.«
Die beiden Vampire standen dicht voreinander, die Blicke starr, die Fänge gefletscht. Um sie herum im Kreis die gesamte Bruderschaft.
Du meine Güte, dachte sie. Was für eine Aggressivität.
Aber Tohrment hatte recht. In der Dunkelheit des Schlafzimmers hatte sie es nicht richtig erkennen können, aber hier im Licht sah Zsadist halb tot aus. Die Schädelknochen zeichneten sich durch die Haut ab; sein T-Shirt hing ihm wie ein Sack am Körper; die Hose hing lose um seine Hüften. Seine schwarzen Augen waren so durchdringend wie immer, aber der Rest von ihm war in keinem guten Zustand.
Tohrment schüttelte den Kopf. »Sei doch vernünftig …«
»Ich möchte für Bella Vergeltung üben. Das ist total vernünftig.«
»Nein, ist es nicht«, sagte sie. Bei ihrem Einwurf wandten alle die Köpfe zu ihr um.
Als Zsadist sie ansah, wechselten seine Augen die Farbe, blitzten von dem wütenden Schwarz, an das sie gewöhnt war, zu einem schimmernden, hellen Gelb.
»Deine Augen«, flüsterte sie. »Was ist mit deinen …«
Wrath unterbrach sie. »Bella, dein Bruder hat darum gebeten, dass du noch etwas hierbleiben kannst.«
Ihre Überraschung war so groß, dass sie den Blick von Zsadist abwandte. »Wie bitte, Herr?«
»Er will nicht, dass ich die Bannung jetzt im Augenblick ausspreche, und er möchte, dass du hierbleibst.«
»Aber warum?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht könntest du ihn danach fragen.«
Mein Gott, als wäre alles nicht schon verwirrend genug. Sie schielte wieder zu Zsadist, aber der starrte ein Fenster am anderen Ende des Raums an.
»Du kannst natürlich sehr gerne bleiben«, sagte Wrath.
Als Zsadist erstarrte, fragte sie sich, ob das auch für ihn galt.
»Ich möchte nicht, dass für mich Vergeltung geübt wird«, sagte sie laut. Nun schnellte Zsadists Kopf herum, und sie sprach ihn direkt an. »Ich bin dankbar für alles, was du für mich getan hast. Aber ich möchte nicht, dass jemand verletzt wird, weil er diesen Lesser jagt. Besonders nicht du.«
Seine Brauen zogen sich finster über den Augen zusammen. »Das ist nicht deine Entscheidung.«
»Und ob es das ist.« Bei der Vorstellung, dass er wegen ihr kämpfen musste, überwog ihr Schrecken alles andere. »Mein Gott, Zsadist … ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du dich umbringen lässt.«
»Dieser Lesser wird in einer Holzkiste enden, nicht ich.«
»Das kannst du doch nicht ernst meinen! Gütige Jungfrau, sieh dich doch an. Du kannst unmöglich kämpfen. Du bist viel zu schwach.«
Es ertönte ein kollektives Zischen im Raum, und Zsadists Augen wurden schwarz.
Verfluchter Mist. Bella legte die Hand auf den Mund. Schwach. Sie hatte ihn vor der versammelten Bruderschaft als schwach bezeichnet.
Eine größere Beleidigung gab es nicht. Auch nur anzudeuten, dass ein Mann sich nicht kraftvoll behaupten konnte, war schon unverzeihlich unter den Kriegern, egal, aus welchem Grund. Aber es vor Zeugen unumwunden auszusprechen, war eine vollständige soziale Kastration, eine unwiderrufliche Herabsetzung seines Wertes.
Bella rannte zu ihm. »Es tut mir leid. Ich meinte nicht …«
Zsadist zog den Arm weg. »Fass mich nicht an.«
Sie legte sich wieder die Hand auf den Mund, als er einen Bogen um sie machte, als wäre sie eine entsicherte Handgranate. Er stapfte durch die Tür, und seine Schritte entfernten sich. Als sie endlich dazu in der Lage war, begegnete sie den missbilligenden Blicken seiner Brüder.
»Ich werde mich sofort bei ihm entschuldigen.
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