Black Dales
verzweifelt zu sehen. Lautlos begannen die ersten Tränen zu fließen.
»Du hattest doch alles versucht!«
»Ich habe dich umgebracht , Kate.«
Es blieb einige Zeit still, bevor sie antwortete.
»Du hast gesagt, dass du alles tun würdest, um mich zu retten!«
Er schüttelte matt den Kopf, dann sah er auf, und eine Träne rann über seine Wange. »Es tut mir so leid!«, wisperte er erneut.
Kate schluckte schwer. Sie hatte einfach keine Ahnung, wie sie Nathan erklären konnte, wie überflüssig seine Vorwürfe für sie waren. Es waren so viele verwirrende Gedanken in ihrem Kopf, Unsicherheit und ein klein wenig Angst – aber auch unglaubliche Erleichterung. Sie war noch hier, Nathan war bei ihr und der Adamantit konnte ihr nichts mehr anhaben.
Und so tat sie einfach das, wonach sie sich in diesem Augenblick am allermeisten sehnte; sie zog Nathans Gesicht zu sich heran und küsste ihn. Es war ihr völlig gleich, dass Allan sie die ganze Zeit schweigend beobachtete und jedes Wort mitanhörte (und in diesem Augenblick ein, zugegeben, ziemlich verdutztes Gesicht machte), sie wollte einfach nur, dass Nathan wusste, wie sehr sie ihn liebte. Ganz gleich was er getan hatte.
Nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten, sah Nathan sie nur noch schweigend an – halb prüfend, halb unsicher, als könnte er nicht glauben, dass sie ihm tatsächlich verzeihen konnte.
Dann, nach einer halben Ewigkeit, richtete er sich langsam auf und reichte ihr die Hand.
»Komm hoch«, bat er sie und zog sie sanft in die Höhe.
Jetzt erst nahm Kate das Chaos um sich herum wahr.
Sie konnte alles erkennen, als wäre es taghell im Zimmer; jede einzelne Farbe, alle Umrisse und das kaum sichtbare Muster in der Tapete, auch wenn durch die fehlende Beleuchtung ein feiner blauer Schleier über all dem lag. Möbel waren nicht zerstört worden, aber viele von ihnen – wie die Sessel vor dem Kamin oder der Couchtisch – waren beim Kampf durch den Raum geschleudert worden und standen nun wild im Zimmer verteilt. Durch das zerbrochene Fenster wehte ein eiskalter Windhauch.
Dann sah Kate den toten Adamantit auf dem Boden liegen, neben den zahlreichen anderen Danags, die ihr noch vor Kurzem eine solche Todesangst eingejagt hatten.
Sie schob den Ärmel ihres Pullis nach oben, um nach dem Biss zu sehen.
Er war verschwunden.
Kein Kratzer und keine Narbe war auf ihrem Arm zurückgeblieben. Ihre Haut selbst war blasser als früher, makellos und weich.
Sie sah Nathan an – mit ihren leuchtend braunen Augen. »Dann ist es endlich vorbei«, murmelte sie.
Nathan nickte und strich ihr zärtlich das Haar aus der Stirn. Und endlich lächelte er wieder. »Jetzt ist es vorbei.«
Epilog
Bis in alle Ewigkeit
Es war früher Morgen, und obwohl sich bereits ein erster heller Streifen über den wolkenlosen Himmel zog, waren die Yorkshire Dales noch in dunkle Farben getaucht. Der Schneeregen, der sich in den letzten Tagen so beharrlich über dem Anwesen ergossen hatte, hatte endlich aufgehört, und bald würde die Sonne die letzten Schatten auf der Wiese hinter dem Haus vertreiben.
Black dales , dachte Nathan, der am Fenster stand und zu den weit entfernten Hügeln hinübersah – so hatte sein Vater sie immer genannt, wenn er in der Dunkelheit hinausgeblickt hatte.
Er verharrte noch eine Weile reglos vor der Scheibe, dann wandte er seinen Blick ab und drehte sich zu Kate um, die zwischen den kostbaren Kissen in dem großen Bett lag und die ersten Minuten der Dämmerung verschlief. Atemlos, blass und kalt, wie für einen ruhenden Vampir üblich.
Mit lautlosen Schritten ging er zu ihr hinüber, setzte sich neben sie und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen – als sie die Augen aufschlug, war sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
Nathan lächelte. »Frohe Weihnachten, Kathleen«, flüsterte er ihr ins Ohr und lehnte sich ein wenig zurück, damit sie sich aufsetzen konnte.
Sie lachte leise auf. »Du bist schon auf?«, wunderte sie sich, und er lächelte.
»Ich hatte noch etwas zu erledigen. Ich hatte gehofft, dass du es nicht bemerken würdest.« Daraufhin griff er in seine Hosentasche und holte einen kleinen, schwarzen Gegenstand hervor, den er mit seinen Fingern umschlossen hielt, sodass Kate nicht sehen konnte, was es war.
»Was ist das?«, wollte sie wissen und rutschte mit einer eleganten Bewegung zu Nathan an die Bettkante.
Er streckte seinen Arm aus und ließ den Gegenstand in ihre geöffnete Handfläche
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