Black, Jenna - Die Exorzistin Bd. 1 - Dämonenkuss
Ich verabscheue Dämonen. Für die legalen habe ich kaum mehr übrig als für die illegalen. Aber meine Einwilligung geben, ein elf Jahre altes Mädchen bei lebendigem Leibe zu verbrennen, um einem Dämon den Garaus zu machen – ich glaube, dazu wäre nicht einmal ich in der Lage gewesen. Besonders wenn es sich bei dem Mädchen um meine eigene Tochter handelt!
»Die Erklärung hätten Sie sich genauso gut vorher unterschreiben lassen können«, zischte ich. Meine Sympathie für Jenkins war jetzt auf dem gleichen Niveau angekommen wie seine für mich.
»Trotzdem«, beharrte er. »Abschied nehmen würden die beiden so oder so wollen.«
Ich blickte zu den Eltern hinüber, die noch kein einziges Wort an mich gerichtet hatten. Sie schafften es nicht einmal, mich anzusehen. Nicht dass ich es ihnen verdenken konnte. Plötzlich wünschte ich mir doch, etwas seriöser gekleidet zu sein. Meine Jeans und mein Pulli wirkten bestimmt nicht gerade vertrauenerweckend auf die beiden.
Doch wenn ich sie jetzt weiter warten ließ, würde ich alles nur noch schlimmer machen. Also setzte ich meine Tasche ab und zog den langen Ledermantel aus. Ich sah mich nach einem Platz um, wo ich den Mantel hinlegen könnte, entdeckte aber keinen, und Jenkins machte keine Anstalten, ihn mir abzunehmen. Das war kindisch von ihm, aber schließlich hatte ich ihn und seine Einrichtung kritisiert. An seiner Stelle hätte ich mich wahrscheinlich genauso albern verhalten.
Ich legte den Mantel auf den weißen Kachelboden – der so blitzblank aussah, als könnte man davon essen – und zog dann den Reißverschluss meiner Tasche auf. Ein erstickter Seufzer aus Mrs Walkers Richtung ließ mich zusammenzucken. Im Laufe meiner Karriere war ich nur dreimal an der Austreibung eines Dämons gescheitert. Aber in keinem dieser Fälle war ich in einem Hinrichtungsstaat zu Werke gegangen -und in keinem hatte sich der Dämon im Körper eines kleinen Mädchens eingenistet. Sollte ich diesmal scheitern, wäre das in mehr als einer Hinsicht eine Katastrophe …
Der Hinrichtungsraum war so leer und kahl, dass ich die Kerzen nirgendwo anders aufstellen konnte als auf dem Boden. Ich hätte Jenkins bitten können, mir ein paar Tische herbeizuschaffen, aber eigentlich war es egal, wo die Kerzen standen – und jeder im Raum wäre bestimmt froh, wenn ich so schnell wie möglich mit meinem Zauber beginnen würde.
Jeder Exorzist hat eine eigene Zeremonie, die ihm hilft, sich in Trance zu versetzen. Manche dieser Zeremonien können ziemlich aufwendig sein und beinhalten spezielle Gewänder, Gesänge, Weihrauch – das ganze pseudomagische Brimborium. Meine Zeremonie ist hingegen denkbar einfach. Ich verteile Duftkerzen mit Vanillearoma im Raum und schalte das Licht aus. Dann gehe ich zu dem besessenen Menschen, lasse meine Hände ungefähr zwanzig Zentimeter über seinem Körper schweben und schließe die Augen.
Normalerweise muss ich nur einmal tief Luft holen, um in Trance zu lallen. Doch an diesem Tag fiel es mir schwerer als sonst. Jenkins hatte angefangen, nervös an dem kleinen Plastikausweis an seiner Brust herumzuspielen. Das dadurch entstehende Geräusch war nicht besonders laut, aber nervtötend. Außerdem konnte ich hören, wie am anderen Ende des Raums Mrs Walker leise vor sich hin schniefte. Ich stellte mir vor, wie die kleine Lisa Walker auf ihrem Tisch in den Brennofen geschoben wurde. In meinem Kopf konnte ich sie bereits schreien hören.
Abermals sog ich tief die nach Vanille duftende Luft ein und rief mir die Tatsache ins Gedächtnis, dass heutzutage niemand mehr in einer Brennkammer hingerichtet wurde, ohne vorher betäubt zu werden – also wären gar keine Schreie zu hören. Viel erträglicher wurde die Vorstellung dadurch allerdings nicht.
Noch nie hatte ein so großer Erfolgsdruck auf mir gelastet, und ich merkte, wie sich leise Panik in mir breitmachte.
In dem Moment begann Lisa Walker zu reden.
»Was macht ihr mit mir?«, fragte sie mit zittriger Kleinmädchenstimme. »Mami – was ist los?«
Ich verlor auch das letzte bisschen Konzentration und öffnete die Augen. Lisa blickte mich aus rotgeränderten, kornblumenblauen Augen an. Sie sah aus wie das Innbild kindlicher Unschuld. Doch was sie gesagt hatte, und wie sie es gesagt hatte, schien mir etwas zu deutlich darauf abzuzielen, mein Mitleid zu erregen. Ich sah sie mir genau an und erkannte, wie sich hinter ihren Augen etwas regte. Etwas, das keineswegs unschuldig und kindlich war. In dem
Weitere Kostenlose Bücher