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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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Mädchen nur die Umrisse ausmachen. Sieht wie eine Glocke aus. Für wen sie wohl läutet? Ein Stück weiter, und der Was serturm ist klar zu erkennen. Wie viele Tränen er wohl fasst? Unter ihr rattert das Moped selbstvergessen wie ein mechanisches Pony. Die Beine tun ihr weh. Hinter der Grenze zu Arizona hatte sie ein Schmerzmittel ge nommen – ohne spürbaren Erfolg. Ein Sattelschlepper rauscht in einem Wirbel aus Rädern und Hitze vorbei. Unter ihrem Sturzhelm summt sie einen alten Madonna-Song. Ihre Beine schmerzen wie Hölle, und am Horizont zeigt sich ein rosafarbener Streifen.
    Drei Dollar und dreiunddreißig Cents, sagt ihr die Zapfsäule. Elendig schleppt sie sich zum Eingang der Tankstelle, ihren Sturzhelm noch immer auf dem Kopf. In einer der hinteren Kühltruhen findet sie einen Schokodrink, schiebt den Sichtschutz ihres Helms nach oben, trinkt alles in einem Zug, dreht den Verschluss wieder zu und stellt die Flasche in die Truhe zurück – so leer wie ihr Herz. Keiner hat’s gesehen.
    Am Tresen schnallt sie ihren Rucksack ab, holt eine Handvoll Dollarnoten heraus und legt sie neben die Kasse. Trinkgelder aus dem Stripclub. Der Mann hinterm Tresen trägt einen kleinen Hund auf dem Arm. Er ist weiß, genau wie sein Rodeohut.
    »Zapfsäule drei?«, fragt er.
    Das Mädchen schaut nach draußen, wo ihr Moped in der gleißenden Sonne steht. »Nehm ich mal an. Sonst ist ja niemand da.«
    »Drei drei drei«, sagt er. »Klingt wie ein Glückstreffer.«
    Sie zählt die Scheine ab, die eher an zerknitterte Origamifalter aus einer extraterrestrischen Cafeteria erinnern. Dann die Münzen. Der Mann streicht die Scheine glatt, schiebt die Münzen auf seine Hand, öffnet die Kasse, sortiert sie säuberlich ein, schließt die Kasse – und tut das alles so langsam und bedächtig, als wolle er dem Hund, der wie ein tönernes Totem in seiner Armbeuge hockt, jegliches Ungemach ersparen.
    »Wie viel braucht die Kiste denn?«, sagt er und deutet mit dem Kinn zu den Tanksäulen.
    Sie schaut zu ihrem Moped heraus, das sie für dreihundert Dollar von einem Hollywoodstatisten gekauft hat. Am Valentinstag. Sie erinnert sich noch genau an das Datum, weil der Statist die ganze Zeit von seinem Verhältnis mit der Hauptdarstellerin erzählt hatte – und überhaupt nicht mehr aufhörte, von den amourösen Plänen für den Abend und ihrem gemeinsamen Leben zu prahlen. Sie hatte unter einer Lampe auf dem Parkplatz gestanden und seinen Lügen zugehört, während der Zündschlüssel in ihrer Faust immer feuchter wurde. Mit einem Anflug von Weltschmerz hatte sie gedacht: Ist schon recht, mein liebeskrankes Täubchen, du kannst heut Abend gerne eine Sprechrolle in meinem B-Movie übernehmen, aber ich werde dein beschissenes Moped lieben – mehr lieben, als es sich irgendjemand in dieser gottlosen Stadt vorstellen kann.
    »Benzin?«, sagt sie und verspürt eine plötzliche Übelkeit, die ihr durch Mark und Bein geht.
    »Genau. Wie viel Meilen schaffst du es denn mit einer Füllung?«
    »Komisch«, sagt sie, »hab ich mir noch nie ausgerechnet.«
    »Wenn’s um Sprit geht, hört der Spaß auf, Püppchen. Mit dem Stoff wäscht sich der Teufel den Schwanz.«
    Das Mädchen versucht zu lachen, so gut es geht. »Was soll das denn bedeuten?«
    »Weiß ich auch nicht. Klingt halt gut.«
    »Hey, vielleicht können Sie mir ja eine landschaftlich interessantere Route empfehlen?«, sagt sie. »Ich kann den Highway nicht mehr sehen.«
    »Wohin soll’s denn gehen?«
    »Weg von Los Angeles.«
    »Kann ich gut nachfühlen«, sagt er und krault den Kopf seines Hundes. »Interessantere Route. Hmmm. Moment mal, ich glaube, ich hab da was.«
    Er dreht sich um und kramt in einem Stapel vergilbter Urlaubsprospekte, die in einem Drahtgestell an der Wand hängen. Während er ihr den Rücken zudreht, klaut sie schnell ein Feuerzeug aus einer Kiste an der Kasse. »Never forget« steht darauf, dazu eine billig anmutende Abbildung der Twin Towers.
    »Hier haben wir sie«, sagt der Mann und legt eine alte Straßenkarte auf die Theke. Auf der Vorderseite des Faltblattes sieht man einen Kaktuszaunkönig, das Wappentier von Arizona. »Wenn dir das nicht den Weg in die Pampa weist, fress ich ’nen Besen.«
    »Aber ich hab gar kein Geld, um …«
    »Nun halt mal die Luft an, Püppchen. Das kostet nichts – von einem Outlaw zum anderen.«
    »Danke«, sagt sie. »Sehr nett von Ihnen.« Das Feuerzeug in ihrer Tasche ist mit einem Mal merklich schwerer. »Ich mach mich

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