Black Rabbit Summer
Abfall gefüllt waren. Pauly saß nur da, ganz allein, und starrte geradeaus.
Ich weiß nicht, warum ich es tat, doch anstatt direkt auf ihn zuzugehen, lief ich um den Hamburgerstand und beobachtete ihn aus dem Schatten heraus. Vom Körperbau her |124| ähnelte er Raymond kein bisschen und trotz meiner Schuldgefühle und meines verzweifelten Wunsches, Raymonds Gesicht zu sehen, war es schwer zu glauben, dass ich Pauly mit ihm verwechselt hatte, und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Aber wie ich so dastand und Pauly beobachtete, entdeckte ich plötzlich etwas an ihm, was ich vorher nicht gesehen hatte – eine Verlorenheit, Einsamkeit, Düsternis –, und ich merkte, dass er letztlich vielleicht gar nicht so anders als Raymond war.
Seit ich ihm zusah, hatte er sich nicht ein einziges Mal bewegt – er saß noch immer bloß da, leicht nach vorn gebeugt, und starrte geradeaus, spähte mit scharfem Blick durch die Massen auf die andere Seite. Ich beugte mich nach rechts und folgte seinem Blick, um zu sehen, was er derart aufmerksam anstarrte. Anfangs fiel es mir schwer, mich auf irgendwas zu konzentrieren – immer wieder war der Menschenstrom im Weg –, doch nachdem ich eine Weile geschaut hatte, gewöhnten sich meine Augen daran, durch die Lücken in der Menge zu schauen, und allmählich sah ich die Dinge ziemlich klar.
Zwischen dem hinteren Ende der Dixi-Klos rechts und drei abgestellten Kirmeslastwagen links lag im Schatten ein Karree. Ein weiterer Lastwagen bildete die Rückseite, dahinter konnte ich die Umzäunung des Parks und jenseits davon die schwach erleuchtete Straße erkennen. Generatoren tuckerten in den Lastwagen vor sich hin, dicke schwarze Kabel schlängelten sich in alle Richtungen und der zertrampelte Boden war mit leeren Bierdosen und Hamburgerschachteln übersät. Das Karree war relativ dunkel – die Lastwagen mit ihren hohen Aufbauten ließen die Lichter der nächstgelegenen Fahrgeschäfte nicht durch –, doch das Restlicht genügte, um die Gesichter der Gestalten auszumachen, die dort im |125| Schatten herumhingen. Die meisten waren einfach bloß irgendwelche Gesichter, Gesichter eben, wie man sie an so einem schäbigen Ort erwartet – brutal und leer, von Kapuzen verdeckt, betrunken. Diese Typen taten nicht viel. Sie hingen rum, glotzten, warteten, hofften, dass irgendwas geschah, das Übliche eben. Doch auf der einen Seite, direkt am Rand, mit dem Rücken zu einem der Lastwagen, standen zwei Gestalten, die ich dort
nicht
erwartet hatte zu sehen.
Eric Leigh und Wes Campbell.
Die also beobachtete Pauly – Eric Leigh und Wes Campbell. Ich schaute für einen Moment wieder zu Pauly und fragte mich, was da verdammt noch mal lief, aber dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder Eric und Campbell zu. Auch wenn sie ganz lässig zusammenzustehen schienen – Seite an Seite, leise redend, sich mit den Schultern ab und zu leicht berührend und gelegentlich mit den Köpfen nickend –, wirkten sie beide irgendwie angespannt. Immer wieder schossen ihre Blicke umher, besonders Erics, und es war ziemlich klar, dass er lieber woanders gewesen wäre. Als ich ihnen weiter zusah, merkte ich, dass sich ihre Aufmerksamkeit auf etwas oder jemanden in der Dunkelheit hinter den Dixis konzentrierte, und ich dachte für einen Moment, es könnte Raymond sein. Vielleicht war er verletzt... vielleicht war er aus dem Klo gekommen und ihm war etwas passiert, er war zusammengeschlagen worden oder so und jetzt lag er da in der Dunkelheit hinter den Dixis...
Doch ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Obwohl sich Eric nie viel aus Raymond gemacht hatte, würde er nicht einfach dastehen und nichts tun, wenn er wüsste, dass Raymond verletzt wäre, da war ich mir ziemlich sicher.
Nein
, sagte ich mir,
selbst Eric wäre nicht so
.
|126| Ich schaute trotzdem weiter und suchte mit den Augen die ganze Gegend um die Dixi-Klos ab, nur für den Fall, dass
doch
etwas passiert war, aber es gab kein Anzeichen von irgendwas Ungewöhnlichem, keinen Hinweis, dass jemand verprügelt worden war... und keine Spur von Raymond. Ich entdeckte ein paar Leute, die ich vorher mit Stella zusammen gesehen hatte – welche aus ihrem Gefolge, der Typ mit der Kamera, einer von ihren Bodyguards –, und beobachtete sie eine Weile, aber sie schienen nichts zu machen. Sie hingen bloß rum, versuchten cool zu wirken – was beim Warten vor den Dixi-Klos gar nicht so leicht war. Stella konnte ich nicht entdecken, anscheinend war sie nicht
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