Black Rabbit Summer
mehr bei ihnen... und selbst wenn, war ich mir ziemlich sicher, dass Raymond sich nicht noch einmal mit ihr eingelassen hätte.
Oder vielleicht doch...?
Verdammt, ich wusste nicht,
was
ich denken sollte.
Ich schüttelte den Kopf – ich war es leid, nicht zu wissen, was ich tat –, dann ging ich hinüber und setzte mich neben Pauly auf die Bank.
Es dauerte eine Sekunde, bis er mich erkannte, doch sobald er kapierte, veränderte sich sein Gesicht. Die Traurigkeit verschwand, die Einsamkeit verlor sich – sein ewiges Grinsen kehrte zurück und er war wieder ganz er selbst.
»Hey, Pete... alles okay?«
Seine Augen wirkten einen Moment lang verschwommen und ich hatte kurz den Eindruck, sie versuchten den Rest des Gesichts einzuholen und sich einzufügen in die Maske...
»Was ist?«, fragte er, rieb sich die Augen und sah mich schräg an. »Wieso glotzt du so?«
»Nichts...« Ich schaute weg, schüttelte wieder den Kopf |127| und versuchte mich zu konzentrieren. »Hör zu, Pauly«, sagte ich. »Hast du Raymond gesehen?«
»Klar«, sagte er grinsend, »das ist so ein komisch aussehender Typ mit großem Kopf –«
»Hast du ihn
gesehen
?«, wiederholte ich.
»Wieso? Hast du ihn verloren?«
Ich fixierte Pauly streng, um ihm zu zeigen, dass ich wusste, wer er unter seiner Maske war, und dass er nicht die ganze Zeit Pauly spielen
musste
. Ich weiß nicht, ob es etwas half, aber immerhin hörte er auf zu grinsen.
»Als ich Raymond das letzte Mal gesehen hab«, seufzte er, »war er mit Stella Ross zusammen.« Er lächelte ein wenig. »Sie ist mit ihm rumstolziert, als ob er ein Schmuseaffe wär oder so.«
»Seitdem hast du ihn nicht mehr gesehen?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ja, bin ich...«
Er zog eine Flasche Wodka Orange aus der Tasche. Sie war schon offen, aber der Kronkorken war wieder draufgedrückt. Als er ihn wegschnippte und schnell einen Schluck trank, sah ich, wie er erneut zu Eric und Campbell hinüberschaute. Er versuchte so zu tun, als ob er bloß einfach so umherschaute, nicht in eine bestimmte Richtung, doch es gelang ihm nicht recht.
»Sind sie noch da?«, fragte ich ihn.
»Wer?«
»Eric und Campbell?«
Er sah mich an und für den Bruchteil einer Sekunde lag Verwirrung in seinen Augen, er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Ihm war jetzt klar, dass ich sie gesehen hatte, aber |128| nicht, ob ich auch mitbekommen hatte, wie er sie beobachtete. »Ja...«, sagte er zögernd, nickte und versuchte zu grinsen. »Ja... hab ich mir doch gedacht, dass sie’s sind.« Er warf wieder einen Blick auf das Karree und tat so, als wäre er nicht sonderlich interessiert. »Ja... ja, sie sind noch da.« Er bot mir den Wodka Orange an. »Willst du was?«
Die Nacht war noch immer warm und stickig und nach dem Spucken und allem andern, was ich gerade hinter mir hatte, fühlte ich mich ziemlich durstig und ausgetrocknet. Auch meine Kehle fühlte sich schrecklich an – sie schmeckte sauer, nach Kotze.
»Hast du Wasser?«, fragte ich Pauly.
Er lachte.
Ich nickte in Richtung der Flasche in seiner Hand. »Was ist da drin?«
Er warf einen Blick auf das Etikett. »Keine Ahnung... Wodka, Orange und noch irgendwas. Willst du jetzt oder nicht?«
Ich zog die Flasche aus seiner Hand und nahm einen kräftigen Schluck. Es schmeckte leicht prickelnd, leicht orangig, aber vor allem nach Wodka. Danach fühlte ich mich kein bisschen besser.
»Was machen die da drüben?«, fragte ich Pauly.
»Wer?«
»Eric und Campbell.«
Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
»Sind die jetzt Freunde oder was?«
Wieder ein Schulterzucken.
Ich sah ihn an. »Ich dachte, du bist so dicke mit Campbell?«
»Und?«
|129| »Wieso weißt du dann nicht, was er mit Eric treibt?«
»Warum sollte ich?«
»Die sind doch beide Kumpel von dir, oder? Ich meine, du kennst Eric und du kennst Campbell –«
»Ich kenn jede Menge Leute. Bloß weil ich sie kenne, weiß ich noch lange nicht, was sie die ganze Zeit machen.« Er grinste mich an. »Weißt du immer, was alle treiben, die
du
kennst?«
»Das ist was anderes.«
»Weißt du, was Nic im Moment gerade treibt? Und was ist mit Raymond? Scheiße, du weißt ja noch nicht mal, wo dein Bunny Boy steckt, oder?« Er lachte. »Hey, und ich dachte immer, du wärst die ganze Zeit total
besorgt
um ihn.«
Ich starrte Pauly an und hätte ihm am liebsten die Flasche über den Schädel gezogen, ihm sein idiotisches Grinsen aus dem Gesicht geprügelt... doch ich wusste, er hatte recht. Ich
Weitere Kostenlose Bücher