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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Krakentyp schien sich wohlzufühlen im Suff, grinste schräg und verdrehte die Augen, doch wie sich Nic fühlte, war schwer zu sagen. Auch wenn ich selbst nicht so fertig gewesen wäre, hätte ich kaum gewusst, was ich von ihr denken sollte. Sie lächelte, doch ihre Augen waren leer. Sie klammerte sich an den Typen, doch gleichzeitig wirkte sie, als ob sie es nicht ertragen könnte, ihn zu berühren. Und als die beiden auf mich zukamen, sah sie mir direkt in die Augen, trotzdem schien sie mich nicht zu erkennen.
    »Hey, Nic«, sagte ich und machte einen Schritt auf sie zu. »Hast du irgendwo Raymond gesehen? Ich hab ihn überall gesucht... Nic? Nicole?«
    Sie antwortete nicht. Ich glaube, sie hörte mich nicht mal. Und bevor ich noch etwas sagen konnte, hatten sie abgedreht und stolperten in die Dunkelheit Richtung Kirmeswagen.

    Danach suchte ich nicht mehr lang weiter. Es war inzwischen schon ziemlich spät. Allmählich lichteten sich die Massen, einige der Fahrgeschäfte machten dicht und es reichte mir |134| allmählich. Ich musste mindestens ein Dutzend Mal die Runde über den Kirmesplatz gemacht haben und sah einfach keinen Grund mehr, noch weiter herumzulaufen. Ich hatte schon überall gesucht. Es gab nichts mehr, wo ich noch nachschauen konnte. Was sollte ich weiter tun?
    Und davon abgesehen wurde mir wieder übel. Und mein Kopf pochte. Und meine Füße taten weh. Und ich fühlte mich immer noch so seltsam... ich hörte merkwürdige Geräusche, bildete mir eigenartige Dinge in meinem Körper ein, sah seltsame Sachen. Ich wusste einfach nicht mehr, was wirklich war.
    Und ich weiß es immer noch nicht, sogar jetzt.

    Das Einzige, was ich weiß – oder zu wissen
glaube
–, ist, dass ich auf einem Bretterstapel neben dem Ausgang saß und mir zu überlegen versuchte, was ich als Nächstes tun sollte. Die letzten Nachzügler von der Kirmes zogen an mir vorbei, um nach Hause zu gehen, und ich fragte mich, ob ich nicht dasselbe tun sollte, einfach alles vergessen. Raymond vergessen, die Nacht Nacht sein lassen und ab nach Hause.
    Ein bisschen Schlaf tanken.
    Am Morgen aufstehen.
    Zur Normalität zurückkehren.
    Ich versuchte es mir vorzustellen: Sonntagmorgen, die Kirchenglocken läuten, die Sonne scheint hell und ich gehe die Straße hinunter zu Raymond. Den Fußweg entlang, dann links, weiter zu Raymonds Gartentor, von wo aus ich seine Gegenwart spüre...
    Und da spürte ich sie plötzlich.
    Seine Gegenwart.
    Gleich hier, gleich jetzt. Und als ich den Kopf hob und den |135| Blick über die Kirmes streifen ließ, sah ich ihn.
    Er saß in einem Karussell – einem altmodischen, leuchtend bunten Karussell. Es stand ungefähr zehn Meter von mir entfernt, gleich rechts vom Eingang zur Kirmes. Ich verstand gar nicht, wieso ich es bisher nicht gesehen hatte. Ich hatte doch jeden Zentimeter des Kirmesplatzes abgesucht, ich hatte alles gesehen, was es zu sehen gab – jedes Fahrgeschäft, jeden Stand... einfach alles. Wieso hatte ich dann dieses altmodische Karussell nicht entdeckt? Ich meine, wie konnte man es übersehen? Es stand doch ganz klar da, direkt vor mir – ein wunderschön bemaltes Karussell, wie aus einem Traum. Ein Regenbogenkreis aus Holzpferden – weißen Pferden, silbernen Pferden, leuchtend roten Pferden, gefleckten Pferden – mit goldenen Sätteln, schillernd blauen Augen und herrlich wallenden Mähnen...
    Und Raymond.
    Auch er war da, direkt vor mir. Er saß rittlings auf einem samtschwarzen Pferd, hielt sich an der verzierten Silberstange fest und lächelte mir zu, während das Karussell kreiste...
    Ich wusste, es konnte unmöglich echt sein.
    Eine Kirmesorgel begann zu spielen, Pfeifen- und Trommelklänge schwirrten durch die Luft und ich hörte Kinderlachen – begeisterte Stimmen, leise Glücksschreie... aber nirgendwo waren Kinder. Es war überhaupt so gut wie niemand da. Die einzige andere Person, die ich sah, war ein etwas merkwürdig aussehender Mann mit Schnauzbart, der im Schatten stand und das Karussell beobachtete. Er wirkte wie ein überbesorgter Vater, der sein Kind im Auge behält... doch es waren keine Kinder auf dem Karussell. Es war niemand auf dem Karussell.
    |136| Nur Raymond.
    Ich beobachtete ihn, wie er wieder herumkam. Er lächelte mich noch immer an, umfasste noch immer die verschnörkelte Stange, doch diesmal war sein samtschwarzes Pferd ein Kaninchen. Ein pferdgroßes Kaninchen. Wunderschön – glänzend und samtweich, mit leuchtenden schwarzen Augen, einer Blumengirlande

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