Black Rabbit Summer
wusstest du, dass ich es bin?«
»Telepathie«, antwortete ich. »Ich hatte gerade an dich gedacht, als plötzlich das Telefon klingelte –«
»Lügner. Deine Mum hat dir gesagt, dass ich dran bin, stimmt’s?«
»Ja.«
Nic lachte wieder. Es war ein sympathisches Lachen, irgendwie heiser und süß, es erinnerte mich an vergangene Zeiten ... Zeiten, die ich vergessen zu haben glaubte.
»Stör ich dich?«, fragte sie.
»Wie meinst du das?«
»Einfach so... du hast ganz schön lange gebraucht, um ans Telefon zu kommen, das ist alles. Und ich hab gehört, wie deine Mum ihre Hand über den Hörer gelegt und geflüstert hat.«
»Das macht sie immer«, sagte ich. »Hat nichts zu bedeuten. Ich war bloß oben in meinem Zimmer...«
»Allein?«
Ich hörte das Schmunzeln in ihrer Stimme.
»Ja«, sagte ich. »Allein.«
»Brav.«
Ich starrte die Wand an, horchte auf die gedämpfte Stille am anderen Ende der Leitung und stellte mir den Ausdruck |11| in Nics Gesicht vor – amüsiert, aufmerksam, auf nette Art verschwörerisch.
»Und, Pete«, fuhr sie fort. »Wie geht’s?«
»Ganz gut, glaub ich.«
»Was hast du so allein getrieben?«
»Nicht viel. Und du?«
»O Gott«, seufzte sie, »das Einzige, was ich in den letzten drei Wochen gemacht hab, ist packen.«
»Packen?«
»Ja, du weißt doch... für den Umzug nach Paris.«
»Ich dachte, der ist erst Ende September.«
»Schon, aber Mum und Dad sind die nächsten drei Wochen unterwegs und sie wollen den größten Teil der Packerei hinter sich haben, bevor sie losfahren. Im Moment stehen hier
überall
Kartons und anderer Mist rum. Als würden wir in einem Lagerhaus wohnen.«
»Klingt lustig.«
»Ja...«
Ich schwieg eine Weile und wartete darauf zu erfahren, was sie
wirklich
wollte. Nicole war nicht der Typ für Smalltalk und ich wusste, sie rief mich nach all der Zeit sicher nicht an, nur um mit mir über Umzugskisten zu quatschen. Deshalb starrte ich die Wand an und wartete.
Schließlich sagte sie: »Hör zu, Pete... Bist du noch dran?« »Ja.«
»Was machst du am Samstag?«
»Samstag? Keine Ahnung... nichts Besonderes. Wieso?«
»Du weißt aber schon, dass es auf dem Parkgelände eine Kirmes gibt, oder?«
»Ja.«
»Samstag ist der letzte Tag und ich dachte, wir könnten |12| uns treffen, mal wieder einen netten Abend haben. Bloß wir vier – du, ich, Eric und Pauly. Du verstehst schon, wegen der alten Zeiten.«
»Wegen der alten Zeiten?«
»Ja, du weißt doch, woran ich denke – unsere Clique... wir
vier
. Ich meine, so lange ist das ja noch nicht her, oder? Ich hab einfach gedacht, na ja, du verstehst schon...«
»Was?«
»Ich dachte bloß, wir sollten uns mal wieder treffen, bevor es zu spät ist.«
»Zu spät für was?«
»Na ja, du gehst aufs Oberstufen-College, Eric und ich hauen ab nach Paris, Pauly kriegt wahrscheinlich einen Job... vielleicht ist es ja die letzte Gelegenheit, uns zu treffen.«
»Ja, kann sein...«
»Komm schon, Pete... Eric und Pauly sind auch dafür. Wir treffen uns in der alten Hütte am Drecksweg –«
»In der
Hütte
?«
Sie lachte. »Ja, ich weiß... ich hab erst vor einer Weile wieder dran denken müssen, du weißt schon, ich hab mich dran erinnert, wie wir sie gebaut haben und so, und da fand ich, das wär doch ein guter Ort für ein letztes Treffen. Wär bestimmt lustig – so wie die Hüttenfeten, die wir früher gefeiert haben. Jeder bringt ein paar Flaschen mit, wir lassen uns ein bisschen volllaufen... und danach gehen wir alle zusammen auf die Kirmes und kotzen in die Achterbahn.« Sie lachte wieder. »Du
musst
einfach kommen, Pete. Ohne dich wär es nicht das Gleiche.«
»Was ist mit Raymond?«
Nicole zögerte. »Raymond Daggett?«
|13| »Ja, ich meine, es waren doch nicht nur wir vier in der alten Clique, oder? Raymond war meistens auch dabei.«
»Hm, ja, schon. Aber Raymond... ich mein, das ist doch nicht so sein Ding, oder?«
»Was willst du damit sagen?«
»Du weißt schon... Fete machen, auf die Kirmes gehen, sich mit Eric und Pauly treffen. Ich glaub einfach nicht, dass ihm das Spaß machen würde, das ist alles.«
»Wieso nicht?«
»Schau mal, Pete«, seufzte sie. »Ich sag ja nicht, dass ich ihn nicht dabeihaben
will
...«
»Was
dann
?«
»Nichts. Nur...«
»Was?«
»Gar nichts. Schon gut.« Sie seufzte wieder. »Wenn du willst, dass Raymond mitkommt –«
»Ich weiß noch nicht mal, ob
ich
komme.«
»Natürlich weißt du das«, sagte sie und ihre Stimmung hellte sich wieder auf.
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