Black Rain: Thriller (German Edition)
knirschte trotzdem mit den Zähnen. »Und was ist mit meinen Leuten?«
Kaufman schürzte die Lippen. »Die kommen nicht wieder nach Hause, falls Sie das meinen.«
Gibbs schwieg.
»Ich habe Ihre Namensliste gesehen«, fügte Kaufman an. »Zunächst verstand ich nicht, wieso Sie gerade diese Leute ausgesucht haben. Aber dann kam es mir. Die meisten wird niemand vermissen.«
Bei diesem letzten Punkt wurde Gibbs’ Miene ernst, beinahe zornig, aber nicht aus Trauer. Tatsächlich hatte er nie die Absicht gehabt, das Team zurückkehren zu lassen, nicht ohne einen Unfall unterwegs, einen Flugzeugabsturz oder eine Explosion. Aber einer von ihnen ist schon hier, dachte er, Arnold Moore.
»Noch mehr Todesfälle«, bemerkte er.
»Ja«, sagte Kaufman respektvoll. »Aber keine so schockierenden wie bei Matt Blundin. Doch vermutlich hat er Ihnen keine andere Wahl gelassen.«
Gibbs sah mit unbewegtem Gesicht vor sich hin. Er hatte Blundin nicht töten wollen, aber der Sicherheitschef hatte ihm in der Tat keine andere Wahl gelassen. In seinem Eifer, die Verantwortlichen für den Datendiebstahl zu finden, hatte Blundin in Bereichen gewühlt, die er eigentlich hätte ignorieren sollen, und dabei die losen Fäden von Gibbs’ Plan entdeckt. Und obwohl sie für seine Ermittlung gar nicht von Belang waren, hatte Blundin unbedingt daran ziehen müssen.
Früher oder später wäre ihm klar geworden, dass nur Gibbs die Finanzierungscodes ändern konnte, nicht Danielle oder die Angestellten in der Buchhaltung oder sonst jemand in der Organisation. Das hätte ihn zu dem fehlenden Geld geführt, zu den Mittelanträgen für Projekte, die nur auf dem Papier existierten, und zu den faden Berichten und nicht protokollierten Transaktionen, die das Projekt vorangebracht hatten. Und nicht lange, dann hätte Matt Blundin begriffen, was das alles bedeutete. Vielleicht hatte er es bereits gewusst und wollte Gibbs Zeit geben, die Sache zu bereinigen. Immerhin war er ein Freund gewesen.
Kaufman brach das Schweigen. »Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden, dann erwarte ich eine Antwort.«
Gibbs konzentrierte sich auf die Welt außerhalb des Wagens. Sie waren jetzt im Geschäftsviertel; von hier konnte er ein Taxi nehmen. Er sah den Fahrer im Rückspiegel an. »Halten Sie an.«
Nach einem Nicken Kaufmans hielt der Mercedes am Randstein.
Es gab eine letzte Warnung von Kaufman. »Seien Sie kein Narr«, sagte er. »Es gibt keine andere Wahl für Sie.«
Gibbs stieg aus, schlug die Wagentür zu und sah dem funkelnden Fahrzeug hinterher. Er kannte seinen Feind jetzt, und er wusste, was er zu tun hatte. Die einzige Frage war, wie er es anstellen sollte, ohne sich selbst dabei ebenfalls zu Grunde zu richten.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Der Rücksitz des alten Taxis hatte schon so einiges mitgemacht. Das rissige Vinyl mit den Kugelschreiberspuren, Kritzeleien und Flecken zeugte von einem langen und turbulenten Leben. Von diesem Platz aus blickte Arnold Moore auf die schneebedeckten Straßen Washingtons hinaus, die langsam an ihm vorbeizogen.
Ein weiterer Sturm hatte die Hauptstadt erreicht, der vierte in sechs Wochen, aber der bislang am wenigsten störende, da er an einem Freitag gekommen war und bis Sonntag vorbei sein würde.
Jetzt, am Samstagmorgen, fiel der Schnee immer noch, hüllte die Rasenflächen und Bäume in jungfräuliches Weiß und sorgte für eine graue Matschschicht auf den Straßen. Die Leute blieben unter diesen Umständen zu Hause, und der District war so leer, wie ihn Moore noch nie gesehen hatte.
Das Taxi brachte ihn von der Virginia-Seite her in die Stadt, den Jefferson Davis Parkway entlang, dann zur Arlington Memorial Bridge und über den Potomac. In der Ferne ragte das Lincoln Memorial auf, der prächtige Säulenbau wurde halb vom fallenden Schnee verdeckt.
Die Stadt war ein anderer Ort bei solchem Wetter. Die Denkmäler waren großartiger und würdiger in ihrer Isolation, die spiegelnden Wasserflächen majestätischer in ihrem Schweigen und ihrer Leere, würdevoller ohne die Touristen, Verkäufer und Vagabunden.
Moore war die Stadt in diesem Kleid lieber, besonders bei dieser Gelegenheit. Er war auf dem Weg zu einem Treffen, nachdem endlich jemand, der an dem Brasilienprojekt interessiert war, mit ihm Kontakt aufgenommen hatte. Die Leere in der Stadt würde es einfacher machen, im Freien zu konferieren, wo man Probleme leichter kommen sah.
Das Taxi setzte Moore vor dem Denkmal ab. Der Schnee auf dem Gehsteig knirschte
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