Black Rain: Thriller (German Edition)
unter seinen Füßen.
In der kalten Luft klappte er den Kragen seines schweren Wollmantels hoch und stieß die Hände tief in die Taschen. Es waren dieselben Taschen, in denen er vor nur zwei Tagen die Notiz gefunden hatte, vor der Tür zu seiner Wohnung. Er hatte nach dem Schlüssel gelangt und ein dickes Stück Papier gespürt, von dessen Anwesenheit er nichts wusste, eine gefaltete Postkarte mit einer Schrift darauf, die nicht seine war. Auf der Karte stand schlicht: »Rufen Sie an«, gefolgt von einer Nummer. Unter der Nummer las er die Worte: »Wir können Ihnen helfen.« Sonst nichts, weder das Brasilienprojekt noch das NRI wurden erwähnt, aber der Zusammenhang war unmissverständlich.
Moore hatte lange wie in Trance auf das Papier gestarrt. Es störte ihn, dass er nicht bemerkt hatte, wie es platziert worden war, und dass er nur raten konnte, was seine Herkunft betraf. Niemand hatte ihn angerempelt, war an ihm vorbeigestürmt oder hatte sich zu lange in seiner Nähe herumgedrückt, auch kein plumpes Ablenkungsmanöver, wie es Taschendiebe praktizieren, war versucht worden. In der U-Bahn hatte Moore allein gesessen und mit wenigen anderen Leuten an seiner üblichen Station ausgestiegen. Und doch war die Notiz irgendwie in seine Manteltasche gelangt. Es gab ihm das Gefühl, alt und langsam zu werden, als würden seine Sinne mit der Zeit nachlassen. Vielleicht war es wirklich Zeit für den Ruhestand.
Nun, am Lincoln Memorial, bemerkte Moore, wie sich ein Fahrzeug näherte, und gab sich Mühe, alle anderen Gedanken zu verbannen. Der braune Wagen verlangsamte geringfügig, fuhr jedoch um die Kurve und setzte seinen Weg Matsch verspritzend fort.
Moore sah an dem sich entfernenden Auto vorbei zum weißen Horizont. Irgendwo da draußen hörte Gibbs zu. Zusätzlich gab es Leute, die ihn beobachteten, drei Gruppen mindestens, zwei Autos und eine dritte Gruppe zu Fuß, auch wenn Moore nicht genau wusste, wer sie waren und wo sie steckten. In dem Wagen, der eben vorbeigefahren war, konnte sich durchaus eines von Gibbs’ Teams befinden.
Er bemühte sich, auch daran nicht zu denken. Es lenkte nur ab, und die vor ihm liegende Aufgabe verlangte seine volle Aufmerksamkeit. Er war im Begriff, sich mit einem der Feinde zu treffen, demselben Feind, der versucht hatte, Danielle zu töten. Seine Aufgabe bestand darin herauszufinden, wer sie waren. Damit ihm das gelang, musste er sie davon überzeugen, dass er bereit sei, das NRI zu verraten, keine leichte Aufgabe angesichts seines guten Rufs. Es war eine Falle für eine Partei, die ohne Frage eine Falle erwartete; eine knifflige Angelegenheit, wie man es drehte und wendete. Aber nach Matt Blundins vorzeitigem Tod vor einigen Tagen blieb ihnen keine andere Chance.
Ein weiterer Wagen kam die Straße entlang. Ein weißer Lexus mit gelben Nebelscheinwerfern, die aus dem Kühlergrill strahlten. Der Wagen hielt neben Moore. Durch das offene Fenster war ein Mann Mitte zwanzig mit einem ordentlich gestutzten Ziegenbärtchen zu sehen.
»Arnold Moore?«
Moore nickte.
»Steigen Sie doch ein«, schlug der Mann vor. »Wir können uns unterwegs unterhalten.«
Moore schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage.« Er zeigte zum Parkplatz. »Parken Sie da unten, dort gibt es jede Menge Platz. Dann kommen Sie hierher zurück, und wir machen einen Spaziergang durch diese wunderbare Winterlandschaft.«
Der blonde Mann verzog das Gesicht bei diesem Gedanken, aber er gab Gas und tat, was Moore gesagt hatte. Kurz darauf kehrte er in lässigem Schlenderschritt zurück.
Moore betrachtete den Mann. Er war jung und gut aussehend, mit blonden Strähnen im Haar und einer schimmernden Bräune mitten im Winter. Er trug eine Hose mit Bügelfalte und einen Rollkragenpullover aus Kaschmirwolle. »Du meine Güte«, flüsterte Moore, »sie haben mir einen Skilehrer geschickt.«
»Welche Richtung?«, fragte der Mann, als er Moore erreicht hatte.
»Spielt das eine Rolle?«, erwiderte Moore barsch. Er blickt rasch in beide Richtungen und begann, sich vom Denkmal zu entfernen, in Richtung Brücke. Er musste in freiem Gelände bleiben.
Der Blonde verdrehte die Augen und folgte ihm. Eine Minute gingen sie einfach, ohne Worte oder Gesten, nur zwei Männer, die zur Brücke hinaufgingen.
»Wie heißen Sie?«, fragte Moore schließlich.
Der Blonde lachte.
»Keine Namen also«, sagte Moore. »Auch gut. Ich werde Sie Sven nennen. Sie sehen aus wie ein Sven.«
Sven schien nichts dagegen zu haben, und sie
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