Black Rain: Thriller (German Edition)
setzten ihren Spaziergang fort, Moore in seinen schweren Stiefeln, dem orangefarbenen Schal und mehreren Lagen Wolle und Baumwolle, Sven in seinem Kaschmirpulli und den teuren italienischen Schuhen, die er sich gerade im Schnee ruinierte.
»Sie waren der Kerl am Telefon neulich Abend«, riet Moore.
»Gut beobachtet«, antwortete Sven.
»Arbeiten Sie außerdem in einer chemischen Reinigung?«
»Wie bitte?«
»Ich frage mich, wie Sie diese Nachricht in meine Manteltasche bekommen haben«, sagte Moore. »Ich habe nicht bemerkt, wie sie mir untergeschoben wurde, deshalb dachte ich, der Mantel könnte von der Reinigung so zurückgekommen sein.«
Sven ging weiter.
Moore forschte in seinem Gesicht. »Das waren Sie nicht.«
»Ich habe nur den Anruf entgegengenommen.«
»Passt irgendwie«, sagte Moore im Tonfall eines angewiderten Veteranen.
Mit diesen Worten verschärfte er das Tempo und lief hinaus auf die Brücke, auf den Fluss, wo es kälter war und Svens dünne Sachen noch weniger angemessen sein würden, als sie es ohnehin schon waren.
Sven schien sich dieses Umstands bewusst zu sein. »Wohin gehen wir, verdammt?«
»Wir gehen nirgendwohin«, sagte Moore und blickte auf das eiskalte, schwarze Wasser des Potomac hinunter, das unheilvoll wirkte zwischen den schneeweißen Ufern. »Wir gehen nur spazieren, bleiben im Freien, wo man uns gut sieht, wo es weniger wahrscheinlich ist, dass ich Sie als Gefahr einstufen und deshalb töten muss.«
Sven lachte. »Soll ich das ernst nehmen?«
»Nehmen Sie es, wie Sie wollen«, sagte Moore und ging weiter. »Vermissen würde einen beschissenen Laufburschen wie Sie ohnehin niemand.«
Sven packte Moore an der Schulter, um ihn herumzudrehen. »Hören Sie zu, alter Mann …«
Moore schlug die Hand weg und starrte Sven wütend an. »Nein, du hörst mir zu, du nichtsnutziger kleiner Scheißer. Ich verhandle nicht mit bloßen Spielfiguren oder Botenjungs. Ich bin seit vierzig Jahren im Geschäft, und wenn die Leute, die dich schicken, etwas zu sagen haben, dann sollten sie den Mumm aufbringen, mich persönlich zu treffen. Oder wenigstens jemanden schicken, der zählt.«
Sven setzte zu einer Erwiderung an, aber Moore schnitt ihm das Wort ab.
»Du bist ein gottverdammter Niemand und weißt einen Scheißdreck über diese Operation. Du weißt ja noch nicht mal, wie deine Leute mit mir Kontakt aufgenommen haben.«
Sven war rot im Gesicht vor Zorn.
Moore zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Na, dann komm, spuck’s aus. Sag mir, dass ich falsch liege. Sag mir, wie wichtig du bist, und was genau du weißt.«
»Ich weiß genug«, sagte Sven schließlich. »Man hat Sie von einem wichtigen Auftrag abgezogen, und es gefällt Ihnen nicht. Ich weiß, dass Ihre Karriere so ziemlich am Ende ist, und das gefällt Ihnen ebenfalls nicht. Vierzig Jahre sind Sie im Geschäft, sagen Sie. Ich sage, man hat Sie vierzig Jahre lang benutzt, und jetzt befördert man Sie mit einem Tritt auf die Straße, und das wurmt Sie gewaltig, sonst wären Sie gar nicht hier, oder?«
Moore starrte Sven an, und sein Zorn, der echte wie der gespielte, ebbte langsam ab. »Ja«, sagte er schließlich wahrheitsgemäß. »Natürlich wurmt es mich. Aber es war trotzdem ein Fehler hierherzukommen.« Er sah Sven mit einer Spur Mitleid in den Augen an. »Geh nach Hause. Geh nach Hause, bevor du noch umgelegt wirst. Glaubst du wirklich, du erreichst hier etwas? Was denkst du, wo wir wären, wenn die Leute jedes Mal die Seite wechseln würden, nur weil sie sauer sind?«
Sven antwortete nicht, und Moore schüttelte angewidert den Kopf. »Geh nach Hause, und sag deinen Leuten, dass ich nicht interessiert bin. Sag ihnen, für Geld allein bin ich nicht zu haben. Und wenn sie mir das nächste Mal etwas anbieten wollen, sollten sie besser keinen grünen Jungen schicken, der noch feucht hinter den Ohren ist und sich Sorgen macht, dass seine Lippen in der Kälte spröde werden.« Moore schüttelte den Kopf noch niedergeschlagener als zuvor. »Ich habe Akten, die älter sind als du.«
Moore kehrte Sven wieder den Rücken zu und blickte über das Steingeländer der Brücke. Mit der behandschuhten Hand fegte er den Schnee von der Brüstung vor sich und stützte sich mit den Unterarmen darauf. Sein Blick ging auf das schwarze Wasser hinaus, das sanft unter dem grauweißen Himmel plätscherte. »Vierzig Jahre, und so muss es enden«, murmelte er. »Was für ein Witz.«
In einem beheizten Raum weit entfernt von der Brücke
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