Blackhearts: Roman (German Edition)
einen unserer Wandleuchter abgerissen haben, in mein Büro gestolpert sind und hier auf dem Boden einen Krampfanfall bekommen haben.«
»Ich werde gehen«, sagt Miriam. »Tut mir leid. Ich werde … gehen.«
»Gut. Ich habe ein paar Freunde geholt, um sicherzustellen, dass Sie das auch wirklich tun.« Er löst eine seiner Hände aus der Hosentasche und winkt jemanden hinein. Schulschwester Caldecott mustert sie auf die Art, wie eine sprungbereite Katze eine Maus mustert.
Die zwei Wachmänner von vorher – Steroidschädel und Mario – kommen herein und greifen nach ihr, um ihr aufzuhelfen. Sie hält sich die beiden mit dem Mülleimer vom Leib. Eklige Dämpfe steigen daraus auf, und sie faucht wie ein in die Enge getriebener Puma.
»Verpisst euch! Ich gehe ja. Wenn ihr mich anfasst, werde ich euch so deftig verklagen, dass ihr Schriftsätze scheißt, bis die Hölle zufriert!«
Benommen, taumelnd, gelingt es Miriam auf die Beine zu kommen. Sie hält sich am Rand des Schreibtischs, der dem Schulleiter gehört, fest. Erst jetzt kriegt sie den Raum richtig zu sehen, und er entspricht auf fast lächerliche Weise allen Klischees: ein alter Globus, dunkle, mit Büchern vollgestopfte Regale, alles in Holz, alles geölt und staubig, kein Computer. Die düstere Gedankenwelt eines Akademikers: ägyptische Artefakte und Gedichtbände und eine Glasvitrine, in der irgendeine illuminierte Handschrift ausgestellt ist.
Eleanor Caldecott greift nach Miriam, aber die weicht aus.
»Miss Black. Sie sollten einen Arzt aufsuchen.«
Miriam sagt nichts. Bahnt sich bloß einen Weg nach draußen, flankiert von den zwei Wachmännern.
Sie schlängelt sich durch die Schule und all ihr viktorianisches Drum und Dran: Blumenmusterteppiche und Teetische und Schulbänke, an denen jeweils zwei Kinder sitzen. Es riecht nach Staub und Büchern und nach einem fast unmerklichen Hauch von Erdbeerlipgloss.
Sie geht an einem Klassenzimmer nach dem anderen vorbei, alle voller Mädchen, manche mit wachen Augen und bereit, dem Treibsand ihrer eigenen Vergangenheit zu entkommen, andere mit finsterem und wütendem Blick, als wollten sie sagen: Das hier bringt mir gar nichts.
Beim Gehen rempelt Steroidschädel sie immer wieder von hinten an und lacht dabei. Als ob’s ein Zufall wäre, aber es ist keiner. Er will sich mit ihr anlegen.
Das Einzige, was sie machen kann, ist auf ihn zu zeigen und ihm einen vernichtenden Ich-werde-dir-die-Eier-in-den-Arsch-stopfen-Blick zuzuwerfen. Alles darüber hinaus würde Energie erfordern, die sie gerade nicht hat. Diese Vision hat ihr nicht bloß den Wind aus den Segeln genommen – sie hat das Segel in ausgefranste Streifen gerissen, sodass der Wind durch die Schlitze pfeift.
Er kümmert sich nicht weiter darum. Mario hingegen beobachtet. Argwöhnisch. Als ob sie eine Schlange wäre, die vielleicht beißt. Guter Junge .
Maske. Lied. Axt .
Sie packen Miriam in ein Wachmannauto – einen beschissenen Ford-Sedan-Viertürer aus den frühen Nullerjahren, in einem Blauton lackiert, dass er fast wie eine Bullenschleuder aussieht. Unterwegs erschnuppert sie trotz der Hitze Hinweise für das Herannahen des Herbstes: Irgendwo verbrennt jemand Laub.
Rose. Nelke. Bitterorangenöl.
Chemiegestank, Pisse, Angst.
Die Wachmänner lassen sie am Tor stehen. Homer ist immer noch da und versucht sich an irgendeiner witzigen Stichelei, aber sie zieht nicht.
Miriam kann sie nicht einmal hören.
Das Tor geht auf. Sie ergreift ihre Chance und entflieht diesem schrecklichen Ort.
SIEBZEHN
Scheiß Applebee’s
»Todd«, sagt Miriam, während sie den Rand ihres Glases antippt. Tick, tick. »Du wirst noch einen Long Island Ice Tea in dieses Scheißding mixen müssen, und diesmal wirst du ihn einen Tacken aufpeppen. Und nepp mich nicht! Hast du eigentlich gewusst, dass ›neppen‹ aus dem Rotwelsch kommt? Eigentlich sogar aus dem Hebräischen, wo es so viel wie unkeusch sein bedeutet. Also, sei schön keusch und artig: Long Island Ice Tea. In mein Glas. Bitte, bitte, bitte, Todd!«
Todd ist der Barmixer hier bei Applebee’s. Er trägt ein schwarzes Polohemd und hat eine Statur wie ein Bündel Reisig. Er ist wahrscheinlich einundzwanzig, sieht aber aus wie achtzehn. Sein Gesicht hat eine so krasse Pickeltopografie, dass Miriam ihre Mozzarella-Sticks zur Seite gelegt hat.
»Klaro!«, sagt er mit einer Stimme, die ein ungleichmäßiges pubertierendes Krächzen ist. Er fängt an, ihr einen neuen Drink zu mixen.
Es ist tot hier
Weitere Kostenlose Bücher