Blackhearts: Roman (German Edition)
drin. Man könnte genauso gut an jeden Tisch und in jede Nische Grabsteine stellen und den ganzen Schuppen mit Spinnweben und Moos auskleiden.
Sie ist sich nicht sicher, ob es das einzige Lokal in derStadt ist. Aber es war das, das sie zuerst gefunden hat, als sie von dieser gottverfickten Mädchenschule wegging. Und zu diesem Zeitpunkt dachte sie sich, Alk ist Alk, fettiges Essen ist fettiges Essen, und damit hat sich der Fall.
Seit diesem Zeitpunkt hat sie diese Auffassung revidiert. Der ganze Scheißdreck, der an den Wänden hängt, geht ihr auf die Nerven. Kitschiger Blödsinn, Straßenschilder, auf alt gemachter Retrokram, ein beschissenes Ruder. Ein Ruder! Was das mit irgendwas in diesem Laden zu tun hat, weiß Miriam auch nicht. Vielleicht ist es dafür da, unangenehme Gäste zu verkloppen.
Sie fragt sich, wie lange es dauern wird, bis Todd sie verkloppt.
Er scheint zu süß zu sein, um so was zu machen. Oder zu doof.
Vielleicht nimmt er sich eine Axt und hackt dir den Kopf ab, sünd’ge Polly …
Nein. Nein! Sie wollte nicht darüber nachdenken! Dafür war sie nicht hierhergekommen. Sie ist hier, um zu trinken. Und zu essen. Und zu vergessen.
Und sich mit ihrem neuen Freund zu unterhalten: Pizzagesicht Todd.
»Mal ’ne Frage«, sagt sie ein bisschen lallend. Sie sollte auch lallen, verdammt noch mal; sie hatte – fünf? – fünf Long Island Ice Tea gehabt. Jeder davon für sich gesehen schwach, aber zusammen formen sie aus ihren Eingeweiden einen großen Kessel voll schäumendem Alk. »Todd. Todd . Mal ’ne Frage.«
Er stellt ihren nächsten Drink vor sie hin. »Häh?«
»Hast du jemals gedacht, okay, mein Leben ist für eine Sache bestimmt, und die ist ätzend, und du hasst sie, und … Scheiße. Okay? Aber dann findest du heraus, dass dein Leben für diese ganz andere Sache bestimmt ist, und in vielerlei Hinsicht ist die noch viel ätzender als die Sache,von der du gedacht hast, du müsstest sie machen? Kannst du mir folgen, Toddy-Hottie?«
»Kann sein. Ich hab keine Ahnung.« Er sieht sie an, als hätte sie zwei Nasen und eine Vagina als Mund. So ist er schon den ganzen Abend. Aber das ist in Ordnung. Todd ist der perfekte Resonanzboden und – so teilt ihr alkoholdurchweichtes Hirn ihr mit – ein guter, guter Freund.
Sie pfeift sich den Drink rein. Ist immer noch nicht genug Stoff drin. Andererseits könnte es auch ein hohes geeistes Glas mit Franzbranntwein sein, und es wäre noch nicht genug drin.
Rechts von ihr hört sie es: das Klick-klick-klick von Krallen auf dem Tresen.
Am Ende des Tresens, wo niemand sitzt, steht eine dickbäuchige Krähe und trinkt gerade die letzten paar Tropfen Irgendwas aus einem Schnapsglas. Ihr Schnabel plingt gegen den Boden des Glases.
Aus ihren Schnabellöchern weht langsam Rauch.
Miriam blinzelt, und die Krähe ist verschwunden.
»Ich weiß es auch nicht«, sagt sie mit ruhiger Stimme.
Ein heißer Säureschwall schießt aus Miriams Magen hoch in ihren Hals. Mit ihm eine grobe Mahnung: Das Mädchen mit den roten Haaren und den Erdbeersommersprossen wird sterben.
Arme kleine Lauren Martin.
Nicht jetzt , sagt die Stimme in ihrem Kopf.
Aber sterben wird sie trotzdem, sagt eine andere.
Scheiß drauf, nicht dein Problem.
Und wessen Problem ist es dann?
JAP . Jemand. Anderes. Problem. Wen kümmert’s?
Sie ist ein armes kleines Mädchen, und sie wird nicht einfach nur sterben, sie wird spektakulär durch die Hand eines abgefuckten Monsters in einer freakigen Ledervogelmaske ermordet, der sich mit dem Rauchen verbrannter Begräb n isblumen antörnt und … was? Wir lassen den Dingen einfach ihren Lauf?
Wer ist denn ›wir‹? ›Wir‹ sind nur eine Person. Außerdem kannst du niemanden retten. Und es ist ja nicht so, als ob es morgen passieren würde. Bis dahin gehen noch sechs Jahre ins Land.
Ehe sie es merkt, ist der Drink alle und ihr Handy klingelt.
Es ist Louis.
Scheiße!
»Entschuldige mich, Todd, da muss ich drangehen.«
Todd steht im Moment nicht mal vor ihr. Sie geht ans Telefon.
»Hey«, sagt sie und versucht, lässig zu klingen.
»Miriam«, sagt er. »Hör zu …«
»Nein, du hörst zu!«
»Moment. Darf ich etwas sagen?«
»Klar. Sicher. Meinetwegen.«
»Ich wollte sagen, dass es mir leidtut. Wegen heute Morgen, dass ich so wütend war. Es ist halt nur … manchmal schwer. Ich weiß, dass du nicht mit mir zusammen sein willst, manchmal funktionieren wir und dann sind wir wieder wie Feuer und Wasser. Du lebst mit
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