Blackhearts: Roman (German Edition)
es so?«
»Schon. Aber das ist kein Grund, unhöflich zu sein. Ein Großteil der Welt sieht wie Hundehintern aus. Heißt nicht, dass man rumgehen und es erzählen sollte.«
Miriam zuckt die Schultern. »Keine Ahnung. Ich jedenfalls gehe so mit der Welt um.«
»Du hast üblen Mundgeruch.«
»Und offensichtlich gehst auch du so mit der Welt um. Ja, ich weiß, dass ich üblen Mundgeruch habe. Ich habe gerade Tequila getrunken.«
»Aus einem Dixiklo?«
»Wie pfiffig. Das wird wohl die Bleiche in meinem Haar sein, die du riechst.«
»Das ist hier aber kein Frisörsalon.«
»Meine Güte«, sagt Miriam. »Du bist vielleicht eine Foxtrott-Oscar-Tango-Zulu-Elli!«
»Das kapier ich nicht.«
»Nimm die Anfangsbuchstaben.«
Das Mädchen macht es. »Ah! Jetzt kapier ich’s: Fotze.« Es verdreht die Augen. »Sehr witzig.«
»Roll nicht mit den Augen, kleines Fräulein! Und du solltest dieses Wort nicht sagen.«
»Ist gut, Mama .«
»Ich bin nicht deine Mama.«
»Das weiß ich. Ich bin doch keine Schwachsinnige. Meinst du, ich hätte auch nur einen Moment lang tatsächlich geglaubt, du wärst meine Mutter?«
Sie beult mit der Zunge die Backentasche aus und mustert Miriam von oben bis unten. »Alt genug wärst du allerdings.«
»Bin ich nicht, du verdammtes kleines Miststück! Ich bin erst Mitte zwanzig.«
Sie zuckt die Schultern. »Meine Mama auch.«
»Und du bist wie alt – dreizehn?«
»Zwölf.« Sie sieht, dass Miriam sie mustert. »Ja, meine Mama war fünfzehn, als ich auf die Welt kam. Und weil ich kein kompletter Vollidiot bin, kann ich mir ausrechnen, dass sie jetzt siebenundzwanzig ist. Siehst du? Mitte zwanzig.«
» Ende zwanzig«, korrigiert Miriam. »Und selbst dann ist sie noch lange keine Uralthausfrau. Hab gefälligst Respekt vor Älteren! Oder so was in der Art.«
»Würde ich ja, aber sie ist weg.«
»Weg. Wie puff , verschwindibus oder weg wie tot?«
»Sie hat mich vor einem Jahr in ihrer Einzimmerwohnung allein zurückgelassen, um loszuziehen und die Welt zu sehen. Oder um sich Heroin zu spritzen. Weil sie Heroin nämlich wirklich mag.«
»Dann hat sie sozusagen voll versagt.«
»Sozusagen.«
»Meine Mutter war das Gegenteil«, erzählt Miriam. Sie versucht, sich das Gesicht ihrer Mutter vorzustellen, doch es fällt ihr schwer. Das Gesicht verschwimmt in einem Gewirr aus Zügen – Nasen und Augen, Wangen und Hauttöne in allen Farben. Einige setzen sich kurz an die richtige Stelle, bevor sie wieder wegschweben, weil sie nicht zutreffen. »Etepetete war sie und hielt mich ziemlich gut unter Verschluss. Der Frau hätte ein bisschen Heroin wahrscheinlich nichts geschadet. Um etwas lockerer zu werden.«
»Meiner Mama hätte mehr Etepetete nichts geschadet.«
»Wir könnten ja Mütter tauschen.«
»Abgemacht!«
Das Mädchen streckt ihr die Hand hin.
Miriam glotzt sie an, als wäre sie mit Spinnen überzogen.
Die Tür zum Büro geht auf – Miriam bemerkt, dass Schulleiter draufsteht, nicht Rektor . Ein kleiner Mann mit zurückgegeltem Haar, zwei dunklen Kirschkernaugen und marineblauem Blazer streckt den Kopf raus.
»Miss Lauren Martin«, sagt der Schulleiter, seine Stimme ist langgedehnt, schleppend und knarrend wie eine alte Tür. »Freut mich, dich wiederzusehen. Wir werden uns bald mit dir befassen. Zuerst spreche ich aber mit Miss …?«
Er blickt Miriam erwartungsvoll an.
»Black«, sagt sie. Sie hatte daran gedacht, zu lügen, aber scheiß drauf.
»Fein. Miss Black, wenn Sie so freundlich wären …« Er macht einen Schritt zurück.
Das Mädchen – Lauren – schaut zu ihr hoch. Die Hand immer noch ausgestreckt.
»Haben wir einen Deal?«, fragt sie Miriam. »Die Mamas zu tauschen.«
Miriam weiß, dass sie die Hand nicht berühren sollte. Wozu soll das gut sein? Gerade als sie anfängt, dieses Mädchen zu mögen, ist sie schon dabei, zu seinem Tod vorzuspulen – wie auch immer dieser abläuft. Autounfall unter Alkoholeinfluss mit achtzehn oder in der Dusche ausgerutscht und sich den Hals gebrochen mit einundachtzig?
Und doch ist da dieses Verlangen, dieser vertraute Drang, das Kribbeln in ihren Fingerspitzen und die feuchten Linien ihrer Handfläche. Sie streckt die Hand aus und zögert, so wie ein Flugzeug über der Landebahn schwebt, bevor es auf dem Asphalt aufsetzt und dann –
Sie ergreift die Hand und sieht, wie das Mädchen sterben wird.
FÜNFZEHN
Das Lied der Spottdrossel
Frühes Morgenlicht scheint grau durch zerbrochenes Fensterglas und fängt
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