Blackhearts: Roman (German Edition)
einer viel höheren Geschwindigkeit als ich, Miriam. Ich bin bloß ein einsamer alter Ochsenfrosch, und du bist wie … du bist wie eine Libelle, die von Schilfrohr zu Schilfrohr fliegt und …«
Sie unterbricht ihn. »Hast du getrunken?«
»Ein kleines bisschen. Es war ein schlimmer Tag.«
»Bei mir auch«, sagt sie. »Bei mir auch.«
»Mein Truck hatte einen Motorschaden.«
»Oh. Oh scheiße! Das ist ätzend.«
»Ich habe noch nicht ausgeliefert. Es wird ein paar Tage dauern, bis ich zurückkomme. Ich dachte eigentlich, ich wäre morgen wieder da – es tut mir echt leid. Brauchstdu mich? Ich kann einen Bus nehmen, wenn du mich brauchst.«
»Tu ich nicht«, lügt sie. »Alles ist … gut hier.«
»Wie geht’s Katey?«
»Sie hat Bauchspeicheldrüsenkrebs.«
»Jesus!«
»Ja.«
»Ich sollte sie anrufen.«
»Nein! Mach’s besser nicht.« Weil sie es nämlich nicht weiß. »Sie wird ihre Ruhe haben wollen, um die Neuigkeiten zu verdauen.«
Er seufzt. »Ja. Du hast wahrscheinlich recht.«
»Ich habe immer recht.«
Tiefes Durchatmen. Als ob das hart für ihn wäre. »Sonst ist alles in Ordnung?«
»Es ist alles … wie Pfirsichflaum und Popcorn. Ich weiß nicht mal, was das bedeutet.«
»Ich ruf dich wieder an.«
»Okay.«
»Ich vermisse dich.«
»Okay«, sagt sie.
Schweigen.
Es erwidern? Es nicht erwidern? Vermisst sie ihn? Hasst sie ihn? Liebt ihn? Will sie ihn ficken? Ihn schlagen? Lauter Fragen, keine Antworten.
»Wir werden bald reden, Miriam.« Seine Stimme klingt jetzt schroff. Ruppig.
»Gute Nacht, Louis.«
Er legt auf.
Sie hält das Telefon noch eine Weile in der Hand und schnalzt mit der Zunge. Sie sagt: »Vermisse dich auch.«
Was soll’s. Scheiß drauf. Scheiß drauf und zum Teufel!
» Uno mas «, sagt sie zu Todd und schubst ihm das leere Glas hin. Es fühlt sich an, als würde sich tief in ihr drin einSturm zusammenbrauen, ein fieser Taifun mit einem unendlichen Hunger. Sie kann die Bestie ebenso gut füttern.
ACHTZEHN
Kaputt und pleite
Bamm, bamm, bamm, bamm.
Miriams Kopf fühlt sich an wie eine wasserdurchtränkte Cantaloupe-Melone.
Bamm, bamm, bamm, bamm!
Eine gedämpfte Stimme kommt von der anderen Seite der Motelzimmertür. »Hey. Sie da drin!«
BAMM, BAMM, BAMM, BAMM!
Jetzt versteht sie, warum man nicht ans Glas des Aquariums klopfen soll. Miriam kommt sich vor wie ein Goldfisch, der ein Aneurysma in Slow Motion durchlebt.
»Machen Sie die Tür auf oder ich komme rein!«
Mit nichts als einem Slip am Leib krabbelt sie aus dem Bett wie ein tolpatschiges, betrunkenes Baby. Auf Händen und Knien kriecht sie zur Tür. Ihr Schädel wummert, als würde er im Innern einer Basstrommel herumhüpfen.
Tür auf. Das Licht von draußen ist ein Vorhang aus weißem Feuer.
»Autsch«, murmelt sie. »Was‘n?«
»Sie müssen für heut’ Nacht bezahlen oder Sie müssen gehen.«
Das Feuer weicht zurück, als ihre Sicht sich anpasst. Vor ihr steht der Motelmanager. Nicht der pummelige Pädo-Bär, der die Rezeptionskabine vorn bemannt, sondern vielmehr ein bulliger Guido, dessen Haare so glatt sind, dass sie wie LEGO -Haare aussehen, so als könnte man sie draufsetzen und wieder runternehmen. Klack, klack .
Miriam zuckt zusammen. Blinzelt. Spürt Hirneichhörnchen – jedes nach einer Wochenration billiger Lieferpizza und Unmengen von Alkohol ausgehungert – an der Verdrahtung in ihrem Kopf nagen.
»Ich werde Ihnen das Geld gleich bringen«, lügt sie. Ihr ist das Bargeld schon lange ausgegangen. Sie hält sich seit Tagen hier versteckt. Die Zimmermiete plus das Essen plus die furchtbaren Pornos, die sie nonstop gekauft hat (die und ein paar rührselige Schluchz-schluchz-Mädchenfilme, was soll’s), haben sie so ziemlich pleite gehen lassen.
Louis ist auch nicht zurückgekommen. Er hat den Truck reparieren lassen, aber gesagt, er hätte irgendeine »Notfallarbeit« zu erledigen.
Sie schätzt, er will sie nicht sehen.
Sie nimmt es ihm nicht übel. Sie will sich selbst auch nicht sehen.
»Sie müssen zahlen oder Sie müssen geh’n.«
»Ich habe gesagt gleich. Geben Sie mir ein paar Minuten!«
»Sie kriegen keine paar Minuten. Sie sind bereits Stunden über die Frist hinaus. Bezahlen oder zusammenpacken!« Er mustert sie von oben bis unten. Ein abschätziges Schnauben. Aber auch hungrig. Als ob seine Augen Münder wären und das Mahl genössen. »Sie haben das Geld nicht, oder?«
»Na schön. Nein. Ich habe das Geld nicht.«
»Dann müssen Sie
Weitere Kostenlose Bücher