Blackhearts: Roman (German Edition)
Jammertal jagte.«
Das Axtblatt fällt schwer auf den Tisch herab und landet in einer Kerbe, die nicht neu ist. Laurens Kopf fällt, zum Schweigen gebracht, hinter den Tisch. Der Mann befördert ihn mit einem Tritt in einen schäbigen Weidenkorb, der mit einer schwarzen Plastikmülltüte ausgekleidet ist.
Klappernd lässt der Killer die Axt auf den Boden fallen.
Er hebt den Kopf auf, und immer noch singend hält er ihn hoch. Blut tropft auf den kaputten Boden. Jetzt verändert sich seine Stimme: wird rau wie aneinanderreibende Kiesel, knurrend, kehlig. Ist dies seine normale Stimme? Die Worte sind kaum noch gesungen. Sie sind sogar kaum noch gesprochen, sondern werden förmlich ausgehustet und auf die Erde gespuckt. Ein grober Auswurf.
»Mag das jenen Warnung sein
Denen Pollys Weg dünkt fein
Geh fort von Sünd’, sonst wirst du verzweifeln
und in die Hölle fahr’n zu den Teufeln.«
Der Mann zieht eine Drahtschere aus der Tasche seiner zerlumpten Jeans, dann schneidet er Lauren die Zunge heraus. Er muss sich anstrengen, um nicht abzurutschen, und es dauert eine Weile, bis die Zange sich durchgebissen hat.
Laurens Augen, die noch immer weit geöffnet sind, werden ruhig wie Tümpel im Moor.
Der Killer lacht, ein kehliges, fröhliches Trällern.
SECHZEHN
Säuberung
Ein heftiger Synapsenschock reißt jeden Teil von Miriam aus dem Schlaf, als würde ein Gewittersturm sämtliche Nervenenden in ihrem Körper reizen. Ihre Gliedmaßen spreizen sich ab. Ihre Finger strecken und krümmen sich. Einer ihrer Nägel bricht auf dem Holzfußboden ab. Knack! Ein Gesicht, im Moment noch verschwommen, aber schnell schärfer werdend, schwebt über ihr.
Mutter?
Eine alte Frau, deren silbernes Haar zu einem langen Zopf nach hinten gebunden ist, leuchtet Miriam mit einer Stablampe in die Augen.
»Sie kommt zu sich«, sagt sie, und ihr Gesicht wird klarer: eine völlig Fremde. »Die seltsame Frau wacht auf.«
Sie hält Miriam die Hand hin.
Nicht schon wieder.
Das kann sie im Moment nicht ertragen. Nicht noch eine Berührung. Noch eine Vision. Noch mehr Tod, eine endlose Parade von Schädeln und Knochen und hungrigen Vögeln. Stattdessen setzt sie sich auf und rutscht rückwärts an einen Kirschholzschreibtisch. Keuchend. Im Mund der Geschmack nach Kotze.
Die Frau – Mitte sechzig, über der weißen Bluse ein kuscheliges blaues Schultertuch – greift erneut nach Miriam. »Nehmen Sie meine Hand. Ich helfe Ihnen auf.«
»Wenn Sie mich anfassen, beiße ich Ihnen die Hand ab!« Miriam beißt geräuschvoll die Zähne zusammen, damit dieser Satz auch wörtlich genommen wird.
»Ich bin nicht Ihre Feindin«, sagt die Frau mit spröder, steifer Stimme. »Ich bin Miss Caldecott. Die Schulschwester.«
Miriam fletscht noch einmal die Zähne. »Augenblick, Caldecott?« Sie kneift die Augen zusammen. »Wie die Schule.«
Eine weitere Gestalt kommt hinter ihr herein. Der Schulleiter. Seine Hände stecken halb in seinen Blazertaschen, locker, so wie ein Bibliotheksausweis hinten in einem Buch steckt.
»Jawohl«, sagt er. »Eleanor Caldecott. Ich bin Edwin Caldecott, der Schulleiter. Diese Frau ist meine Mutter. Und nicht ganz zufällig die Gründerin dieser Schule.«
»Prima. Schön. Fein. Meinetwegen. Was ist passiert?«, fragt Miriam. Aber sie muss nicht auf die Antwort warten, denn alles steigt nacheinander in ihr hoch. Haare bleichen, ein junges Mädchen, Händeschütteln, altertümlicher Doktortisch, Vogelmaske, Feuerwehraxt, Tod, der mit einem Liedchen kommt. »Oh!«
Sie greift fahrig nach einem in der Nähe stehenden Mülleimer aus Metall und übergibt sich darin. Eine heiße Flut aus Brezeln, Chili, Tequila.
»Entzückend«, sagt der Schulleiter mit nasalem Tonfall. Als ob ihn diese Vorgänge langweilen würden. Durch die Lücke zwischen seinen Vorderzähnen saugt er Luft ein.
Miriam lehnt den Kopf an die Seite des Schreibtischs, wischt sich eine Schliere Speichel von der Lippe. »Das Mädchen. Lauren. Ich muss mit ihr reden.«
»Wir haben sie fortgeschickt«, sagt die silberhaarige Frau, der Mund eine strenge Linie.
»Wer sind Sie?«, fragt der Schulleiter. »Die Verwandte eines Mädchens? Die Schwester? Mutter? Stehen Sie unter Drogen?«
»Ich muss mit diesem Mädchen reden!«
»Das können wir nicht gestatten, Miss Black. Und wenn Sie weiterhin solche Forderungen stellen, sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu verständigen. Ich bedaure bereits,dies nicht schon in dem Augenblick getan zu haben, als Sie
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