Blackhearts: Roman (German Edition)
hoffe, ich gehöre zu der Art Lehrerin, an die meine Mädchen sich erinnern werden. Vielleicht bin ich deswegen hier. Um etwas zu hinterlassen.« Die Bedienung kommt, und Katey bestellt irgendeinen tropischen Drink für sich und noch einen Wodka für Miriam, wobei sie der Frau (zu Miriams Verdruss, den sie mit sauertöpfischer Miene kundtut) aufträgt, Letzteren mit ein bisschen Cranberrysaft zu strecken. »Diese Mädchen brauchen Hilfe. Manche haben sich bloß ein bisschen im Nebel verirrt, aber andere stecken tief im Dunkel. Mädchen, die von Elternteilen missbraucht wurden. Oder tyrannisiert. Manche hatten Drogenprobleme oder sind manisch-depressiv, oder sie ritzen sich. In vielen Fällen sind sie von ihren Familien – ach was, der ganzen Welt – im Stich gelassen worden. Man überließ sie den Wölfen und Löwen der Ebenen und Wälder. Sie brauchen unsere Hilfe. Denn wir sind die Einzigen, die ihnen Hilfe geben und nichts im Gegenzug dafür verlangen. Das heißt, auf mich wartet noch Arbeit.«
Es wartet Arbeit auf dich, Miriam.
Die Bedienung taucht wieder auf. Kein Vogelkopf. Keine vernarbten Stellen am Hals. Ein erfolgreicher Abend.
Sie gibt Miriam einen Wodka-Cranberry. Dann stellt sie ein Getränk vor Katey hin, das aussieht wie ein Goldfischglas voll blauem Kloreiniger, garniert mit Orangenscheiben, Kirschen und nicht einem, sondern gleich zwei kleinen Papierschirmchen.
Es ist ein Drink, der so girliehaft ist, dass es Miriam im Uterus ziept.
»Eins muss ich Ihnen sagen«, beginnt Miriam. »Diese Schule kommt einem nicht wie eine Schule für beschädigte Ware vor. Sie wirkt wie eine Schule für reiche Mädchen. Ete-beschissen-petete. Als wären das alles Mädchen, die mit Zähnen und Klauen darum gekämpft haben, dort sein zu dürfen, als hätten die Eltern einen Arschvoll Kohle gelatzt, um ihren Sprösslingen einen Platz zu sichern. Eine Schule mit Aufnahmegarantie, griechischen Säulen, einem Schulwappen und Efeu, das an den Mauern rankt.«
»Das ist die Idee dabei. Wir versuchen nicht, diesen Mädchen das absolute Minimum zu geben. Wir versuchen, ihnen alles zu geben. Eine volle Zugangsberechtigung fürsrichtige Leben.« Durch einen kleinen roten Strohhalm, der so eng ist, dass er aussieht wie ein versteinertes menschliches Kapillargefäß, nimmt Katey einen Schluck von ihrem Getränk. Ihre Augenlider flattern vor Entzücken. »Mm. Mm! Mm. Sehr gut! Wollen Sie mal probieren?«
»Ich trinke keinen Schiffsrumpfreiniger.«
Katey winkt ab. »Selbst schuld! Wie dem auch sei. Manche Eltern zahlen tatsächlich einen Haufen Geld. Reiche Mädchen können auch in Schwierigkeiten geraten. Manchmal haben reiche Mädchen sogar die größten Probleme, das können Sie mir glauben. Magersucht. Oxycodon.«
»Kaufsucht!«, ruft Miriam in gespieltem Entsetzen aus.
»Seien Sie nett.«
»Das ist nicht meine starke Seite.«
»Sie haben Probleme genau wie der Rest von uns. Und ihre Eltern helfen – vielleicht unwissentlich – dabei, die Schulgelder, Kost und Logis der Mädchen zu finanzieren, die es sich nicht leisten können. Wir bekommen auch Spenden und staatliche Hilfen. Alles, um diesen armen Mädchen zu helfen, nicht bloß durchzukommen, nicht bloß zu überleben, sondern sich hervorzutun.«
»Aber Jungen nicht.«
»Mädchen sind Zielscheiben. Sie gelten als schwach. Die Welt behandelt sie, als wären sie minderwertig, Bürger zweiter Klasse neben den Männern. Wir mussten länger und härter kämpfen …«
Miriams Handy klingelt.
Louis.
Sie schaut Katey an, hält einen Finger hoch, dann nimmt sie das Handy zwischen Daumen und Zeigefinger, als würde sie ein vollgewichstes Taschentuch hochheben.
Plonk . Sie lässt ihr Handy in ein Glas mit Wasser fallen.
»Sehen Sie?«, sagt Miriam. »Ich weigere mich, ein Bürger zweiter Klasse neben Männern zu sein. Ich unterstütze vollund ganz, was Sie sagen. Äh. Was genau haben Sie noch mal gesagt?«
»Hmm. Nun.« Katey kann den Blick nicht von dem Handy im Wasserglas losreißen. »Ich sagte gerade, dass wir kämpfen müssen, wenn wir uns ein Stück vom großen Kuchen sichern wollen. Wenn ein Mann umgebracht wird, fragt niemand, ob er es nicht vielleicht provoziert hat. Wenn eine Frau vergewaltigt wird, wird gefragt, tja, was hat sie angehabt? Hat sie ihn heißgemacht, ihm etwas vorgemacht? Hat sie laut und deutlich genug Nein gesagt? Als ob diese Dinge eine Vergewaltigung rechtfertigen würden! Und junge Frauen sind sogar noch schlechter dran: Sie haben
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