Blackhearts: Roman (German Edition)
und keiner davon ist einen Dreck wert.
Dann halt Wodka. Pur. Fast geschmacklos. Tritt zu wie ein Strauß.
Ein Schatten fällt über den Tisch.
Miriam schließt die Augen. Erwartet, dass die Kellnerin erscheint, nur dass die wahrscheinlich einen Vogelkopf haben wird und aus der Nase werden violette Rauchkringel aufsteigen und das Vogelgesicht wird etwas krächzen über tote Mädchen und Arbeit, die auf sie wartet.
Doch stattdessen erscheint Katey.
Die Lehrerin setzt sich.
Sie strahlt. Ist voller Energie. Ihre Wangen sind gerötet.
Miriam guckt sie mürrisch über ihren Wodka hinweg an. »Sie sehen …« Sie blinzelt. »… schwanger aus. Es heißt doch immer, schwangere Frauen haben so ein Leuchten an sich. Sie sehen schwanger aus.«
Katey winkt ab. »Ich bin nicht schwanger.«
»Ja. Ich weiß. Ich sage ja nur, Sie sehen so aus.«
»Na, na. Wir sind wohl etwas gereizt.«
Miriam fletscht die Zähne, beißt in den Rand ihres Glases. Starrt über den Wodka hinweg wie ein wilder Hund, der seinen Knochen bewacht.
»Hören Sie«, sagt Katey. »Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann habe ich noch 268 Tage Leben übrig, und die will ich nicht mies gelaunt verbringen.«
»Hm. Na gut. Also, Paukerin, erzählen Sie mal. Wie haben Sie denn vor, sie zu verbringen?«
Katey lächelt. Kein falsches Lächeln. Vielleicht mit einem Anflug Traurigkeit, aber nichtsdestoweniger ein Lächeln. »Das weiß ich noch nicht so genau.«
»Na ja, denken Sie nicht zu lange darüber nach.« Miriam kippt den Wodka hinunter. Schiebt das leere Glas an den Tischrand. »Sie bezahlen meinen Wodka heute Abend. Ich habe nämlich kein Geld.«
Katey zuckt die Achseln. »In Ordnung. Ich bezahle Ihnen auch eine Mahlzeit, wenn Sie wollen.«
In Miriams Magen gluckert es. Sie fühlt sich immer noch unruhig, ihr Bauch ist eine flache Säurelache. Essen könnte helfen. Vielleicht kotzt sie es später wieder aus, aber scheiß drauf, es ist ja nicht ihr Geld. Sie murmelt danke.
»Beantworten Sie mir etwas«, sagt Katey. »Sie sagen, ich sitze da und unterhalte mich mit jemandem, wenn ich sterbe?«
»Mm-hm. Kräftiger Bursche. Hört auf den Namen Steve.«
»Ich kenne keine Steves. Na ja. Da gibt es meinen Cousin Steve, aber der ist ein paar Jahre jünger als ich und nicht viel kräftiger als eine Grille.«
»Keine Ahnung. Es ist eine Zukunftsvision, und an irgendeinem Punkt in der Zukunft lernen Sie irgendeinen Kerl namens Steve kennen. Und er ist da, wenn Sie … Sie wissen schon, ins fette grüne kosmische Gras beißen.«
»Tja.« Katey brütet eine Weile darüber. »Bekomme ich Chemo?«
»Was?«
»Sie wissen schon. Chemo. Sieht es so aus, als ob ich Chemo bekäme?«
Miriam rümpft die Nase, so dass die Haut zwischen ihren Augenbrauen ein zerknautschtes V bildet. »Nein, ich denke nicht. Kein Haarausfall. Auch nicht viel Gewichtsverlust.«
»Mist! Den Gewichtsverlust hätte ich gebrauchen können! Trotzdem. Ich glaube, Sie haben recht. Ich denke nicht,dass ich eine Chemo will. Lebensqualität und all das. Ich will die Dinge lassen, wie sie sind, solange es geht.«
»Sie werden weiter unterrichten?«
»Ja.«
»Wieso? Wieso nicht … kündigen, aussteigen, sich auf eine Insel absetzen und von irgendeinem Beachgigolo Massagen und Happy Ends besorgen lassen?«
»Etwas davon werde ich tun. Ich habe ein wenig Urlaub. Aber ich kann meine Mädchen nicht verlassen.«
»Sie sind doch nur eine Lehrerin!«
» Nur eine Lehrerin? Sie verstehen es, einer Frau Komplimente zu ihrer Lebensführung zu machen.« Katey lacht. »Ich kenne den Ausdruck in Ihren Augen. Sie haben wohl nie einen guten Lehrer gehabt, oder? Einen Lehrer, der Sie motiviert hat, mehr zu lernen, besser zu sein?«
»Ich hatte nie einen Lehrer, der auf den Tisch stieg und mir Poesie vorlas, falls es das ist, wonach Sie fragen. Keiner von denen hat sich jemals für mich aufgeopfert oder mir Rosen geschickt oder versucht mich zu ficken.« Miriam trommelt mit den Fingern auf dem Tisch und ballt sie dann plötzlich zur Faust, wünscht sich, man könnte hier drin rauchen. »Also gut, einen Lehrer gab es tatsächlich. Mein Englischlehrer. Machte mich mit Poe und Plath und Dickinson bekannt.«
Sie denkt: Und mit Keats, Donne und Yeats und den ganzen liebeskranken Arschlöchern, die mich dazu brachten, hinauszuziehen und mir im Wald mit Crème de Menthe und Ben Hodge das Hirn rauszusaufen – Ben, der sich später den Schädel wegschoss, Ben, dessen Baby am Ende starb.
»Ich
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