Blackhearts: Roman (German Edition)
mit Ihnen Schlitten fahren. Und eine Schlittenfahrt mit mir ist wie eine Wildwasserbahnfahrt durch Blut und Tränen, die durch den offenen Mund des Teufels führt und aus seinem Arschloch wieder rauskommt. Das will ich nicht für Sie, Katey. Sie sind einfach eine zu nette Frau.«
Die Lehrerin wird still. Sie nimmt ihre Bankkarte heraus und legt sie neben die Rechnung. Als sie aufsieht, sind ihre Augen nass. Glasig und schimmernd wie eine alte Schneekugel.
»In neun Monaten bin ich tot. Nichts, was Sie mir antun können, ändert daran etwas.«
»Ich kann diese verbleibenden kostbaren Tage in Scheiße verwandeln.«
»Lassen Sie mich Ihnen helfen. Es würde mich 267 Tage vor der Zeit umbringen, wenn ich daran denken muss, wie Sie irgendwo da draußen sind und den Kopf auf ein dreckiges Lager aus Pappkartons legen. Wohnen Sie bei mir!«
Miriam zaudert. Aber was kann sie dazu noch sagen?
Es ist eine schlechte Idee, aber sie ist die Königin der schlechten Ideen.
Und die hier war nicht mal ihre.
»Lassen Sie uns gehen, Mitbewohnerin. Ich kriege das obere Bett.«
VIERUNDZWANZIG
Louis kehrt zurück
Katey hat ein Reihenhaus in Sunbury, eine halbe Stunde von der Schule entfernt. Trotzdem nicht weit vom Fluss weg – wenn man aus dem Badezimmerfenster oben schaut, kann man den Mondschein sehen, der sich auf dem fernen Wasser spiegelt. Glitzernd wie Glasscherben.
Bei der Einrichtung kommt Miriam das trockene Würgen – alles bodenständiger Landhauskitsch mit einer merkwürdigen Fixierung auf Vögel. Katey hängt ihre Schlüssel an einen Holzpapagei, dessen Füße kleine Häkchen sind.Sie nimmt sich einen Keks aus einer Keramik-Keksdose, die wie ein Hahn geformt ist. Bestickte Möwenkissen. Ein Adlerläufer an der Tür.
Miriam versucht, sich die Worte zu verkneifen, aber sie sind wie Schmetterlinge, die unter dem Schmetterlingsnetz hinwegtauchen. »Sie haben’s wohl echt mit Vögeln?«
Katey erbleicht schockiert. Das Blut weicht ihr aus dem Gesicht.
»’tschuldigung«, sagt Miriam. »Konnte nicht anders. Es ist wie eine Krankheit.«
Doch dann bebt die Lehrerin, zittert und bricht aus wie der Vesuv: Ihr unvermitteltes und unkontrolliertes Lachen vertreibt schnell die Sorgen.
»Ich schätze, ich habe es wohl wirklich mit …«, sagt sie, während ihr die Tränen aus den Augen strömen, »… Vögeln!«
Die Art, wie sie dieses Wort krächzt, bringt Miriam auch laut zum Lachen, und eine gute halbe Minute lang kringeln sich die beiden. Irgendwann geht es vorbei, und Katey sagt: »Ah, das hat sich erstaunlich befreiend angefühlt!« Sie reibt sich die Augen. »Ich glaube, das bedeutet, dass es Zeit ist, dass diese alte Dame zu Bett geht.« Die Lehrerin macht es Miriam mit einer flauschigen braunen Decke, die schwer und weich ist, auf der Couch bequem.
Aber Miriam ist nicht müde.
Inzwischen müsste der Wodka ihren Verstand eigentlich gelöscht haben. Hat er aber nicht.
Die Gedanken in ihrem Kopf drehen sich ständig im Kreis. Fahren auf einem Karussell von schrecklichen Bildern.
Zwei Mädchen. Nicht eins, sondern zwei: Wren und ein weiteres. Die einzige Verbindung, die sie bis jetzt hat, ist die Schule. Kennen die Mädchen einander? Sind sie Freundinnen?
Philomela und Prokne.
Bring die Schwalbe zum Schweigen. Schneide ihr die Zunge heraus. Nimm die Köpfe der Kinder.
London Bridge is falling down …
Nein. Nein, nein, nein! Nicht jetzt. Heute Nacht kann nichts getan werden. Steck es weg. Stopf es in eine Schreibtischschublade. Sperr ab. Verbrenn es. Geh weg vom Feuer.
Miriam steht auf. Stöbert in der Küche herum. (Eulenkühlschrankmagnete.) Öffnet das Gefrierfach. Findet einen halben Liter Häagen-Dazs-Eiscreme. Sie lässt sich auf die Couch plumpsen, klemmt sich den Becher mit dem Eis zwischen die Schenkel und haut rein. Stellt den Fernseher an.
Kochshow.
Zap.
Etwas über Vulkane auf Hawaii.
Zap.
Dauerwerbesendung. Bla-bla-bla, Super-Mopp.
Zap.
American Werewolf. Der Höhepunkt. Der Titelwolf läuft auf dem Piccadilly Circus Amok. Chaos. Alberne Hysterie. Hupende Autos. Gekreische. Die Bestie reißt einem Schaulustigen den Kopf ab und schleudert ihn in den Verkehr.
Zap.
Fernseher aus.
Miriam fühlt sich benommen, erdrückt von der bevorstehenden Aufgabe. Hier sitzt sie, löffelt einen halben Liter zart schmelzender Eiscreme und denkt, was für eine beschissene Retterin sie abgibt. Tja, Mädels, ich bin die einzige Retterin, die ihr im Moment habt. Mehr kriegt ihr nicht für den
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