Blackhearts: Roman (German Edition)
Kopf –
Er ist fett geworden. Sein Bauch ist nicht bloß kein Waschbrett mehr, er ist eine Waschmaschinentrommel, eingepackt in erschlaffte Muskeln und pummelige Lipome. Er ist jetzt fünfundvierzig – seine Arbeit an der Schule liegt schon zehn Jahre zurück –, und er knöpft sich den Hemdkragen auf und watschelt in den Keller runter. Dort sieht er seine alte Freundin: die Hantelbank. Er betrachtet sie eine Zeitlang, als ob er sich nicht sicher wäre, kratzt sich unter dem Kragen am Hals, aber dann tut er seine Bedenken mit einem Ach-was-soll’s-Schulterzucken ab. Mit einem Grunzen zwängt er sich unter die Stange, aber so einfach ist das nicht – es ist, als schiebe man eine Tomate unter einer geschlossenen Tür durch. Trotzdem schafft er es. Kriegt die glitschigen Pfoten unter die Stange. Stemmt. Die Stange ächzt, doch sie bewegt sich nicht. Noch mehr Schweißperlen tauchen auf seiner Stirn auf wie die Viecher bei Whac-a-mole. Er fängt an, Geräusche von sich zu geben, als ob er versuchte, sich ein Baby aus dem Arsch zu pressen, und plötzlich werden seine Augen groß, treten hervor wie G lupschaugen bei einer Zeichentrickfigur, und der Herzanfall zerreißt ihn wie ein Grizzly eine Fliegengittertür –
– und sie knallt seinen Schädel – deng! – hart gegen das Metallgeländer.
Steroidschädel brüllt wie ein Elch in der Brunft, ein ins Jagdhorn gestoßener Schrei ungeformter Wut. Er schlingt seine kräftigen Arme in einem Griff um sie, als wolle er sie zermalmen. Ihr Kopf pulsiert wie ein mit Blut gefüllter Ballon, der immer größer wird.
Miriam hat keinen Spielraum. Es wird nicht lange dauern, bis Ron Jeremy, der italienische Klempner, sich zu der Schlägerei gesellen wird. Vermutlich mit Pfefferspray oder einem Elektroschocker. Und dann wäre es vorbei.
Steroidschädel grinst ihr anzüglich ins Gesicht. Er bleckt die Zähne wie ein Tier.
Miriam legt ihren Kopf zurück, dann lässt sie die Stirn auf seine Nase krachen. Das entlockt dem, der sie gepackt hat, einen gurgelnden Schrei – aber noch besser, es bringt ihr genug Bewegungsfreiheit, um sich herauszuwinden.
Sie klettert auf ihn rauf, springt übers Geländer und verschwindet in Richtung Wald. Ihr Körper rast davon wie eine raketenbetriebene Maschine, die sich mit einem berauschenden Treibstoffgemisch aus Adrenalin und Ekel bewegt.
Steroidschädel, immer noch da hinten, gebückt, hält sich das Gesicht.
Niemand ist hinter ihr.
Niemand außer den beiden toten Mädchen. Kopflos. Zungenlos. Miriam kommt sich vor, als würde sie von ihren Geistern gehetzt – den Geistern zweier Mädchen, die noch nicht einmal tot sind.
Bis sie es ans Haupttor geschafft hat, schnauft und keucht und hustet sie. Sie sagt sich, dass es nur an dieser schrecklich sauberen Luft liegt und nicht an ihren Lungen, die voninnen mit ausgehärtetem Teer und Nikotin lackiert sind. Sie zündet sich eine Zigarette an. Der Rauch füllt ihre Lunge. Macht ihren Kopf frei.
Homer schaut aus seinem Häuschen und beobachtet sie, als ob sie ein drolliges Eichhörnchen oder ein Affe wäre, der aus dem Zoo entkommen ist.
»Sie seh’n nicht besonders gut aus«, sagt er.
»Ich fühle mich großartig. Wie ein Superstar mit Nummer-eins-Hit. Oberaffengeil.« Sie blickt hinter sich und sieht schließlich Steroidschädel die Auffahrt entlanggaloppiert kommen. Wieder hustet sie, bläst einen zweizackigen Schwalbenschwanz aus Rauch aus der Nase. »Kann ich, ähm …«
Sie gestikuliert zum Tor hin. Er nickt, drückt auf den Knopf.
Das Tor beginnt aufzuschwingen.
»War schön, Sie wiederzusehen, Homer.«
»Sie auch, Miss Black. Werde ich Sie wiedersehen?«
Eine Stimme in ihrem Innern sagt ihr: Du willst nie wieder hierher zurückkommen . Aber andererseits schwimmen die Gesichter der beiden toten Mädchen in den dunklen, nassen Höhlungen ihres Verstands.
»Ja. Vermutlich werden Sie das.«
Er winkt ihr zu.
Und dann ist Miriam fort.
DREIUNDZWANZIG
Drinks mit einer Toten
Miriam ist stinkig. Wäre sie eine Comicfigur, würde über ihrem Kopf ein verärgertes Gekritzel dunkler Striche schweben. Mit schwarzer Tinte gemalt von einem Stift, der zu fest aufgedrückt wurde und Dellen im Papier hinterlassen hat.
Sie sitzt in einer Nische in Amerikas mittelmäßigstem Restaurant und nippt an einem Glas Wodka. Todd – der heute Abend wieder Dienst hat, unschuldiges pizzagesichtiges Lamm, das er ist – hat die Whiskys aufgezählt, die es im Applebee’s gibt,
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