Blackhearts: Roman (German Edition)
Polizei wird ihr helfen.«
»Trotzdem. Sie dort allein zu lassen. Und wenn auch nur für fünf, zehn Minuten, in diesem Haus! Sie ist sowieso schon verkorkst. Körperlich. Seelisch.« Eine Psyche wie ein Teller Rühreier.
»Sie wird ihren Frieden finden. Du hast ihr das Leben gerettet! Gesteh’ dir das zu. Ich war dort, vergiss das nicht.« Er küsst sie auf die Wange. Sie ist sich nicht sicher, was das bedeutet. »Und du hast auch die anderen Mädchen gerettet. Ich wünschte nur, du hättest mich in die Sache eingeweiht.«
»Du warst weg. Offenbar wolltest du weg sein.« Vielleicht wollte ich auch, dass du weg bist, wenn auch nur für eine kleine Weile.
»Das wird nicht wieder vorkommen. Ich bin hier, um dichzu beschützen. Du hast deine Mission und ich habe meine. Meine Frau …« Seine Stimme verliert sich.
Miriam kann sich nicht vorstellen, woran er denkt. Vielleicht daran, wie er eine Frau verloren hat und jetzt womöglich noch eine weitere verliert? Es ist nicht gesund, dass er diese Erinnerung an seine tote Frau mit ihr verbindet, wie ein psychologischer Schiffsanker. Aber gesund oder ungesund, Miriam gefällt das Gefühl. Sie versinkt darin, ertrinkt vielleicht, aber es fühlt sich gut an.
»Wir werden uns für den ganzen anderen Kram etwas einfallen lassen«, sagt Louis. »Du sollst bloß wissen, dass ich hinter dir stehe. Immer von jetzt an.«
»Danke«, sagt sie und schenkt ihm ein Lächeln.
Plötzlich entsteht Unruhe im Flur. Eine vertraute Stimme erhebt sich, eine leicht panische Stimme.
Katey taucht in der Tür auf. Außer Atem.
»O mein Gott!«, ruft sie, als sie hereinstürmt und die Arme um Miriam schlingt.
Miriam grunzt, räuspert sich und erwidert die Umarmung ein wenig ungeschickt.
»Mir tut alles weh«, murmelt sie und zuckt zusammen.
»Oh, tut mir leid, tut mir leid!« Katey weicht zurück, schaut sich Miriam genau an. »Ich bin so froh, dass du angerufen hast. Und ich bin froh, dass es dir gut geht!«
»Hier ist dein Telefon«, sagt Miriam und nimmt das Handy von einem Regal, wo es neben einem Glas mit Tupfern liegt. »Hat mir das Leben gerettet.«
»Louis kam zu mir, verzweifelt wie ein geprügelter Hund«, sagt Katey. »Er sagte, er hätte überall nach dir gesucht, ging in dein altes Motel, versuchte, dich auf deinem alten Handy zu erreichen, und konnte dich nicht finden. Gut, dass er sich entschieden hat, bei mir aufzutauchen.« Sie betastet Miriam sorgenvoll wie eine Affenmutter, die ihr Baby laust. »Herrje, dich haben sie aber ordentlich zugerichtet!«
Miriam zuckt die Schulter. »Wenigstens hat man mir diesmal nicht in die Brust gestochen.«
»Wenigstens bist du mit dem Leben davongekommen!«
»Was man von Keener jedenfalls nicht behaupten kann.« Ein absurdes Gefühl des Stolzes wallt in ihr auf. Wie ein roter Ballon, der sich aufbläht und über ihrem Kopf schwebt.
»Und dieses andere arme Mädchen: Amy Valentine?«
»Annie. Tja, ich weiß nicht, ob sie jemals wieder die Alte sein wird.«
Da bemerkt Miriam Kateys Gesichtsausdruck; wie sich ihre Stirn in Falten legt, wie ihre Lippen Worte formen, die zuerst nicht herauskommen, es endlich doch tun. Katey sagt: »Bist du sicher, dass es dir gut geht? Du hast eine Gehirnerschütterung, stimmt‘s?«
»Ich weiß, welches Jahr wir haben. Und ich weiß, wie viele Finger und Zehen ich haben sollte. Warum?«
»Dann war das gerade kein seltsamer Witz.«
»Witz? Ich habe keinen Witz gemacht.«
»Dieses Mädchen, Annie Valentine. Sie ist tot, Miriam. Die Nachrichten sind voll davon.«
DREIUNDVIERZIG
Black Valentine
Sie stürmen ein Zimmer ganz in ihrer Nähe, ein richtiges Krankenzimmer. Ein alter Kerl schläft im Bett, liegt da wie eine kaputte Puppe, das Bein angehoben und die Hüfte fixiert.
In der Ecke, ein Fernseher. Miriam humpelt hin, schnappt sich die Fernbedienung vom Nachttisch des alten Kerls undschaltet die Glotze an. Der Patient murmelt, rührt sich aber nicht.
Sie zappt, zappt und zappt.
Da ist es.
Miriam kann nicht glauben, was sie sieht.
Es ist wie in einer Filmszene. Einem beschissenen Albtraum von einer Filmszene.
Cops. Nachrichtenwagen. Ein Hubschrauber. Er kreist über dem Grundstück von Keener.
Das nebenbei bemerkt in Flammen steht.
Sein Haus brennt trotz des Regens, ebenso verschiedene Inseln im labyrinthischen Abfallmeer. Feuer und schwarzer Qualm wabern aus einem Frachtcontainer, aus ein paar Autos und aus dem langen, museumsreifen Bus.
Miriam versucht, daraus schlau zu werden.
Weitere Kostenlose Bücher