Blackhearts: Roman (German Edition)
sie vor ihm.
Dann zuckt sie die Schultern und sagt: »Ich weiß nicht, warum zum Teufel ich gerade salutiert habe.«
Er starrt sie an, als sei sie nun völlig bekloppt. Was sie wahrscheinlich ist.
Durcheinander und mit rotem Gesicht geht Miriam zu Katey, die am Eingang wartet.
FÜNFUNDVIERZIG
Der Flur der roten Türen
Das Wohnheim der Mädchen liegt abseits des Haupthauses. Im Moment ist es im Haupthaus dunkel, lauter düstere Linien und Schatten, aber Katey weiß, wohin sie gehen müssen. Als sie an der Tür steht und den Schlüsselbund durchgeht, einen Schlüssel nach dem andern befühlt, erscheint plötzlich ein Lichtstrahl von der Galerie über ihnen.
Miriam packt Katey beim Ellbogen und zieht sie hinter einen Beistelltisch aus Holz, der mit einer Kaffeemaschine und einer Keramikteekanne protzt.
Der Strahl wird heller. Ein Schatten tritt auf die Galerie hinaus und beginnt, die Treppe zur Eingangshalle hinunterzugehen. Das Licht hüpft hin und her, bis es am Boden ankommt. Dort wandert es hin und her, sucht und sucht weiter. Wie der Strahl von einem Leuchtturm.
Ein Funkgerät rauscht, und der Schatten spricht.
»Ich hätte schwören können, dass ich etwas gehört habe. – Ja. – Ich bin in der Eingangshalle.«
Miriam kennt diese Stimme.
Es ist Sims, alias Steroidschädel.
Eine Stimme schnattert aus dem Funkgerät, aber Miriam kann sie nicht verstehen. Der andere Wachmann? Horvath?
»Jau«, sagt Sims. Pause. »Nein, ich sehe nichts. Okay, ich geh wieder zurück und dreh meine Runde zu Ende. Und du solltest dich besser nicht noch einmal an meiner Nussstange vergreifen!«
Miriams erster Impuls ist es, mit einem Witz über zwei Männer herauszuplatzen, die sich gegenseitig über ihre Nussstangen hermachen, aber ausnahmsweise siegt die Vernunft. Sie verspürt einen leichten Anflug von Stolz. Ah, das Baby ist erwachsen geworden!
Sims steigt wieder die Treppe hoch.
Katey stößt die angehaltene Luft aus und sagt: »Ich bin mir nicht sicher, ob wir das hier tun sollten.«
»Wir müssen! Etwas echt beschissen Mieses geht hier vor sich, und ich will wissen, was es ist. Bitte.«
Katey nickt und geht zurück zur Tür.
Findet den Schlüssel. Macht auf.
Dahinter ist ein Treppenhaus. Lauter dunkles Holz und staubige, ockerfarbene Teppiche. Auf Wandleuchtern aus Messing stecken weiße Elektrokerzen, die so tun, als wären sie echt.
Katey flüstert: »Hier oben steht der Schreibtisch der Wohnheimmutter, Miss Betty. Sie dreht manchmal Runden, deshalb werde ich gehen und sie ablenken, nur für alleFälle. Lauren Martins Zimmer ist im zweiten Stock – Zimmer 322. … Alles in Ordnung mit dir?«
Nichts ist in Ordnung. Aber Miriam nickt trotzdem.
Und schon macht Katey die Biege. Miriam nimmt immer zwei der mit Teppich belegten Stufen auf einmal, bis sie im zweiten Stock angekommen ist. Sie macht die Tür vorsichtig auf und späht durch: niemand. Sie schleicht weiter.
Sie ist nun in einem Flur voller roter Türen. Noch mehr Kirschholz, noch mehr vergammelte Teppiche, die ebenso gut aus einem viktorianischen Bordell stammen könnten, noch mehr von diesen Wandleuchtern. Unter den Türen: jeweils ein dunkler Strich. Die Mädchen schlafen alle.
Miriam huscht weiter auf der Suche nach der Nummer 322.
Im Kopf die Rolling Stones.
I see a red door and I want to paint it black.
Da ist es: Wrens Zimmer.
Sie klopft leicht an die Tür.
Die Tür schwingt auf –
Hände packen sie und zerren sie ins Dunkel.
SECHSUNDVIERZIG
Was das Schicksal will, bekommt das Schicksal auch
Miriam knallt mit der Hüfte hart gegen die Ecke einer Kommode. Der Inhalt rappelt. Schon greift sie in der Tasche nach ihrem Messer, als zwei Taschenlampen unter zwei Kinnen aufleuchten.
Lauren Martin und ein anderes Mädchen mit einem Mondgesicht. Es erinnert Miriam ein bisschen an die Pummelige aus The Facts of Life . Wie hieß die doch gleich – Natalie?
»Hey, Psycho!«, sagt Wren.
»Hi, Psycho!«, sagt das andere Mädchen.
»Okay«, sagt Miriam und zeigt auf die Zimmergenossin. »Du wirst mich nicht so nennen, es sei denn du willst, dass ich dich Fettalie-Natalie nenne. Haben wir uns verstanden?«
»Du bist scheiße!«, sagt das fette Mädchen.
»Du kennst mich doch nicht mal, Fettalie.«
»Leute, haltet die Klappe!«, zischt Wren. »Miriam, das ist Missy. Missy, das ist Miriam. Gebt euch die Hand und seid nett.«
Miriam streckt die Zunge raus, hält aber trotzdem die Hand hin.
Missy, die Taschenlampe noch unterm Kinn,
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