Blackout (German Edition)
Jahren, darunter die drei Anwesenden, werden den Prototypen von dead.end testen. Aufgrund ihrer Rückmeldungen werden wir letzte Modifikationen vornehmen, bevor dead.end Anfang November auf den Markt kommt und parallel dazu die Webseite dead.end.com online geht. Deshalb der Name Operation Countdown. Wir leiten heute die letzte, entscheidende Phase der Planung ein.«
Diesen Unsinn wird ihr hoffentlich keiner abnehmen. Ich auf jeden Fall tue das nicht. Wir sind ein PR-Gag, mehr nicht.
Der Psychologe neben mir meint, der Operation Countdown etwas Tiefgang verpassen zu müssen, und spricht von Verantwortung und Medienkultur. Damit will er wohl die Eltern beruhigen und die Presse in eine Art Mitpflicht nehmen. Ich bin weder eine Mutter noch ein Journalist, zudem habe ich Aussagen wie die von Dr. Hendriksson schon von anderen Erwachsenen gehört, zum Beispiel von Politikern, die denken, sie wissen Bescheid, also klinke ich mich aus dem Geschehen aus und versuche herauszufinden, weshalb es ein Manga-Junge, den ich noch nie zuvor gesehen habe, schafft, mich nervös zu machen.
»… Ego-Shooter-Games, Mo?«
Den Anfang der Frage verpasse ich, doch das Wort Ego- Shooter reißt mich zurück in das aktuelle Geschehen. Ich warte auf die Antwort von Mo. Er beugt sich zum Mikrofon vor.
»Nichts Besonderes«, sagt er heiser.
Ich schiele zu Rahel Huber hinüber und bemerke, wie sie ihre Mundwinkel verkniffen nach unten zieht. Die Medienmeute ist bei dem Thema angekommen, aus dem sie die Schlagzeile basteln kann.
TESTSPIELER FINDEN KILLERGAMES NICHTS BESONDERES!
»Und Sie, Tessa?«, meldet sich einer aus der zweiten Reihe.
»Ich spiele sie.« Die Kriegsgöttin klingt, als ob damit alles gesagt ist.
»Na, Lara Croft brauchen wir ja nicht zu fragen«, ruft Halder.
Ich fixiere ihn mit meinem Blick, während ich warte, bis sich die Wörter bei mir richtig eingeordnet haben. »Ich habe kein Sturmgewehr zu Hause. Und Sie?«, kommen sie aus meinem Mund, etwas langsam, aber in der genau richtigen Reihenfolge.
Ein paar Medienleute lachen. Halder auch.
In der hintersten Reihe steht ein Mann in einem schlecht sitzenden Anzug auf. »Frau Huber, Sie reden von einer einzigartigen Grafik und einem völlig neuen Konzept. Was ist so einzigartig und neu an diesem Spiel?«, fragt er.
»Das werden Ihnen unsere Jugendlichen nach der Testphase verraten.« Sie blickt auf die Uhr. »Es tut mir leid«, sagt sie. »Die Zeit ist leider abgelaufen. Unser Reisebus wartet. Haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Teilnehmer während der Operation Countdown vor Ihnen abschirmen. Sie werden Ihnen nach der Testphase für Interviews zur Verfügung stehen. Wie Sie Ihren Medieninformationen entnehmen können, erhält dann auch jeder von Ihnen eine Filmdokumentation über Operation Countdown.« Sie übersieht bewusst die in die Höhe gestreckten Hände. »Während die Spieler im Einsatz sind, können Sie sich jederzeit an unsere Pressesprecherin Irene Manser wenden. Herzlichen Dank.«
Im Blitzlichtgewitter, das von Neuem losbricht, stoße ich mit Mo zusammen. Die Berührung fühlt sich an wie ein elektrischer Schlag.
10. Juli. Irgendwo an der Schweizer Grenze. 14.30 Uhr. Mo.
Ich glaub’s nicht. Ich bin am Arsch der Schweiz. Dort, wo die Art Leute lebt, die Jugendlichen ein Ausgehverbot ab zehn Uhr abends aufdrückt.
Vor einer Viertelstunde sind wir von der Autobahn runter. Jetzt fahren wir in Richtung Berge, vorbei an einem Hügel mit einer Burgruine, durch ein kleines Kuhdorf mit einer weiß getünchten Kirche. Ein paar Hundert Meter weiter biegen wir von der Hauptstraße ab. Kommen an einem Schild vorbei, auf dem Militär steht.
Durch die Narbe über meiner Hüfte geht ein schmerzhaftes Ziehen. Meine Paranoia brennt mir ein Bild ins Hirn: das einer unterirdischen Anlage, die uns verschlingen und nie mehr ausspucken wird. Ich würde ja gerne glauben, dass die Panik mit mir durchgeht, aber in mir drin köchelt die Angst nicht grundlos. Unsere Notebooks und Handys wurden schon vor der Pressekonferenz eingesammelt. Ist also nichts mit Hilferufabsetzen, falls das hier zu etwas wird, das mir nicht gefällt. Und Militär gefällt mir gar nicht.
Mam würde zu solch irren Gedanken sagen: Du spielst zu viel. Schaust zu viele Filme. Geh mal raus. In die Natur.Komm auf andere Gedanken. Und dann würde sie Steve diesen komischen Blick zuwerfen, diesen Sag-du-mal-was-Blick, doch Steve ist klug genug, sich aus der Sache herauszuhalten.
Unser Bus hält auf
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