BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Nachrichten. Andere Sender wie Al Jazeera oder die Asiaten hatten offenbar keine Journalisten vor Ort. Bollard konnte froh sein, wenn die Kommunikationskanäle zwischen den nationalen und internationalen Behörden rudimentär bestehen blieben. Mit den Kollegen von der EU in Brüssel und Straßburg konnten sie sich nur zeitweise austauschen, zu seinen Kollegen in Frankreich noch seltener. Ebenso sporadisch tröpfelten Informationen von der Internationalen Atomenergie-Organisation aus Wien ein. Bollards Letztstand für Saint-Laurent war Stufe 5 auf der INES -Skala. Im Gegensatz zu den Verantwortlichen beim Betreiber EDF und der französischen Atomsicherheitsbehörde wollte die IAEO eine partielle Kernschmelze im Reaktorblock 1 nicht mehr ausschließen.
Bollard betete, dass seine Eltern und die seiner Frau rechtzeitig gewarnt und evakuiert worden waren.
Saint-Laurent war nicht mehr das einzige Kraftwerk, dessen Notsysteme versagten. Vom französischen Tricastin, dem belgischen Doel, dem tschechischen Temelín und dem bulgarischen Kosloduj wurden ähnliche Verhältnisse gemeldet. Doel war nur hundertvierzig Kilometer von Den Haag entfernt, von Brüssel trennten das Kraftwerk sogar nur sechzig Kilometer. Noch war in keinem Fall Radioaktivität in großer Menge ausgetreten, doch bei negativer Entwicklung des Störfalls und ungünstiger Wetterlage konnte eine radioaktive Wolke die belgische Hauptstadt und den Sitz des Europäischen Rats sowie der Europäischen Kommission erreichen.
Bollard steckte eine weitere Nadel in die Europakarte. Nach dem Anruf der Deutschen heute Morgen hatte er die Information an alle anwesenden Liaisonoffiziere weitergegeben, damit sie in ihren Heimatländern nachfragten. Tatsächlich trafen bis zum Mittag Meldungen aus Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Italien und Polen ein. In Spanien war eine Brandstiftung in einer Umschaltanlage gemeldet worden und zwei gesprengte Masten, in Frankreich waren vier Masten gefallen, in den Niederlanden, Italien und Polen je zwei. Wobei alle Länder betonten, dass die Angaben vorläufig und womöglich nicht vollständig waren, da sie viel zu wenige Teams zur Überprüfung hatten. Für jede sabotierte Anlage steckte er eine Nadel in die Tafel.
»Aus Deutschland kamen ebenfalls neue Daten«, sagte Bollard. »Die lassen Berlins Routen-Theorie schlecht aussehen. Die Brandstiftung in Lübeck wurde widerrufen, dafür haben wir eine im südlichen Bayern. Auch die Masten im Norden sind anscheinend natürlichen Gründen zum Opfer gefallen. Dafür haben wir angeblich einen gefällten Mast im östlichen Sachsen-Anhalt.«
»Müssen wir also nicht annehmen, dass jemand quer durch Europa fährt und Schaltanlagen deaktiviert?«
»Das müsste ein Haufen Trupps sein«, stellte Bollard fest.
Das Klingeln eines Funktelefons unterbrach ihre Überlegungen.
»Für Sie«, sagte der Mitarbeiter, der abgehoben hatte, zu Bollard und streckte ihm den Hörer entgegen.
Am anderen Ende meldete sich Hartlandt. »Ich versuche seit einer Stunde, zu Ihnen durchzukommen.«
Zuerst wollte Bollard Hartlandts folgender Schilderung kaum glauben. Der Italiener hatte einen Fluchtversuch unternommen und war dabei angeschossen worden. Jetzt lag er in einem Krankenhaus in Düsseldorf. Hartlandt beschrieb, wie Manzano hartnäckig darauf bestand, dass jemand anderes als er die belastenden E-Mails von seinem Computer verschickt haben musste.
»Jemand von Europol«, sagte Hartlandt, »oder jemand, der Ihre Pläne kannte, weil er Ihr Kommunikationssystem infiltriert hat.«
»Für meine Leute lege ich die Hand ins Feuer«, versicherte Bollard.
Kaum hatten sie das Gespräch beendet, sprang er nervös auf.
»Bin gleich wieder da«, wandte er sich an seinen Kollegen. Zur IT -Abteilung musste er zwei Stockwerke tiefer. Auch dort standen viele Büros leer, stellte er fest.
Der leitende Direktor saß in seinem Zimmer, hinter ihm ein Mitarbeiter, gemeinsam stierten sie auf die vier Bildschirme vor sich.
»Haben Sie zwei Minuten?«, fragte Bollard.
Der IT -Leiter war ein umgänglicher Belgier, der seit Jahren für Europol arbeitete.
»Nicht wirklich«, erwiderte er.
»Es ist wichtig.«
Der Belgier seufzte, der andere musterte Bollard unwirsch.
»Ich würde das lieber auf dem Flur besprechen«, sagte Bollard und deutete mit dem Daumen über seine Schulter.
Jetzt blickte ihn auch der Belgier unfreundlich an, doch Bollard hatte sich schon wieder vor die Tür gestellt und gab zu verstehen, dass er so
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