BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
RESET verdeutlicht hatte. »Vielleicht sogar eine ganz gute Idee«, hatte der Franzose gemeint, »wenn jemand dokumentiert, wie wir arbeiten.«
Manzano streckte sich, spürte, wie seine Gelenke knackten. Sie hatte recht, er brauchte eine Pause.
»Kaffee?«, fragte Shannon.
Gemeinsam gingen sie in die kleine Küche ein paar Türen weiter. An den Tischen saßen zwei Europol-Männer mit müden Gesichtern, vor sich dampfende Tassen.
Manzano holte sich eine Kaffeekapsel und steckte sie in das Gerät. Er pries das Notstromsystem, das Europol diesen Luxus auch weiterhin erlaubte. Er mochte zwar diese neumodischen Maschinen nicht, in die man den Kaffee schon in handlich verpackte Kapseln steckte, aber besser als nichts waren sie allemal. Und praktisch auch, das konnte er nicht leugnen. Kapsel rein, Knopf drücken, fertiger Kaffee kam raus. Eigentlich ein Computer, der Kaffee kochen kann, dachte er und steckte eine Kapsel für Shannon ins Gerät.
»Klein, aber stark«, bat sie.
Er drückte erneut, wartete, reichte ihr die Tasse. Ein rotes Licht zeigte, dass der Behälter für gebrauchte Kapseln voll war und geleert werden musste. Manzano zog das Fach heraus und stellte fest, dass nur ihre zwei Kapseln darin lagen. Trotzdem nahm er sie heraus, schob den Behälter zurück, nahm seinen Kaffee, und sie setzten sich an den Tisch zu den beiden Männern.
Manzano saß kaum, da stand er wieder auf und nahm die Kaffeemaschine noch einmal in Augenschein. Das rote Lämpchen leuchtete weiterhin, obwohl er den Behälter doch geleert hatte. Manzano zog ihn erneut heraus und schob ihn noch einmal hinein. Das rote Lämpchen blinkte nach wie vor. »Die Anzeigen«, flüsterte er. »Womöglich sind es die Anzeigen.«
»Was murmelst du da?«, fragte Shannon.
Manzano kippte seinen Kaffee mit einem Schluck hinunter: »An den Fehlermeldungen sind vielleicht nur die Anzeigen schuld!«
»Welche Anzeigen?«
»In der SCADA -Software.«
»Und das hat dir die Kaffeemaschine gesagt?«
»Genau.«
Madrid
blond
tancr
sanskrit
zap
erzwo
cuhao
proud
baku
tzsche
b.tuck
sarowi
simon
»Diese zwölf Nicknames führen mit Abstand die meisten Unterhaltungen miteinander«, erklärte Hernandez Durán, stellvertretender Leiter der Abteilung für Cyberkriminalität und -terrorismus in der Brigada de Investigación Tecnológica in Madrid, den Anwesenden. »Einige sind eindeutig wie Blond oder Erzwo. Der ist wohl ein Star-Wars-Fan. Interessant finden wir Proud, Zap, Baku, Tzsche, B.tuck und Sarowi.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er fortfuhr. »Der Kollege Belguer hat eine interessante These dazu, die vor allem über das Motiv Auskunft geben könnte. Proud, Zap, Baku, Tzsche, B.tuck könnten – mit Betonung auf dem Konjunktiv – Abkürzungen von Namen sein. Und zwar Proudhon, Zapata, Bakunin, Nietzsche und Benjamin Tucker.«
Die Machtübernahme durch das Militär hatte ihre Arbeit bislang zum Glück nicht behindert. Auch wenn jeder im Raum Angst vor den Konsequenzen hatte. Immerhin bestand zum ersten Mal eine leise Hoffnung, dass sie den Urhebern der Katastrophe auf die Spur kamen.
»Zapata und Nietzsche sagen mir etwas«, warf einer der Zuhörer ein. »Von den anderen habe ich zwar schon gehört, aber …«
Zu Beginn hatten nur IT -Forensiker die Daten analysiert. Sehr bald hatten sie andere Fachleute hinzugezogen. Bis der Soziologe Belguer mit seiner These gekommen war.
»Pierre-Joseph Proudhon«, erklärte Durán, »war ein Franzose aus dem neunzehnten Jahrhundert und gilt als der erste Anarchist. Zum geflügelten Wort wurde sein Satz › La propriété c’est le vol ‹ – ›Eigentum ist Diebstahl‹. Michail Bakunin, ein russischer Adliger, war ebenfalls ein einflussreicher Anarchist im neunzehnten Jahrhundert. Benjamin Tucker gehörte schon zur nächsten Generation. Der Amerikaner übersetzte und verlegte die Schriften Proudhons und Bakunins. Ende des neunzehnten, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war er eine der wichtigsten Persönlichkeiten der anarchistischen Szene in den USA .«
»Revolutionäre, Anarchisten«, stellte ein anderer fest. »Wenn die These stimmt. Was mir nicht ganz abwegig erscheint, wenn ich mir ansehe, was sie angerichtet haben.«
Berlin
»Endlich gute Nachrichten.«
Michelsen fragte sich, ob sie ebenfalls in den vergangenen zehn Tagen um zehn Jahre gealtert war wie ihr Gegenüber.
»Nur teilweise«, korrigierte die Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und zeigte auf
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